3 Zimmer, Küche, Bad

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Detlef P.
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3 Zimmer, Küche, Bad

Beitrag von Detlef P. »

[img]http://www.critic.de/images/3-zimmer-kueche-bad-plakat-3_Zim.jpg[/img]

D, 2012
Regie: Dietrich Brüggemann
Darsteller: Jacob Matschenz, Robert Gwisdek, Anna Brüggemann, Alice Dwyer, Katharina Spiering, Aylin Tezel, Alexander Khuon, Amelie Kiefer, Corinna Harfouch, Hans-Heinrich Hardt, Herbert Knaup, Leslie Malton

"Umzug als Lebensgefühl beschreibt Dietrich Brüggemann in seinem Ensemblefilm zwischen Melancholie und Optimismus. Eine Kiste, in den vierten Stock zu wuchten, kann schon mal Zeichen von großer Liebe oder enger Freundschaft sein.

Wohnungswechsel, Partnerwechsel, Neuanfang und Abschiednehmen. Manchmal geht das schnell und unkompliziert, manchmal gestaltet sich das Prozedere langwierig und quälend. Beides nimmt Dietrich Brüggemann unter die Lupe. Eine Clique von acht Freunden zieht ständig um und/oder zusammen, verkriecht sich in muntere WGs oder in kuschelige Zweisamkeit, verliebt oder trennt sich und bekommt von den Eltern keine "Gebrauchsanweisung" in Sachen Liebe, denn die stecken selbst in der Bredouille und packen ausgerechnet am Weihnachtsabend die Lebenslügen aus. Eine Kiste in den vierten Stock zu wuchten, gilt unter 20 bis 30Jährigen manchmal schon als Liebeserklärung, Freundschaften ersetzen wie im wahren Leben die Familie. Brüggemann, der nach "Renn' wenn du kannst" das Drehbuch erneut mit seiner Schwester Anna schrieb, möchte seinen Film nun gar nicht als Berlin-Film verstanden wissen, sondern als Ausdruck eines Lebensgefühls und einer Identitätssuche, das sich nicht nur auf eine Stadt bezieht. Gab es früher Rituale im Alltag und auf der Leinwand - Familienfeste, Verfolgungsjagden, Hochzeiten und Todesfälle - würdigt der Regisseur seiner Meinung nach ein neues Ritual, den Umzug.

Im Mittelpunkt der Bewegung steht der angehende Fotograf Philipp (Jacob Matschenz), der sich an diversen Kunsthochschulen bewirbt und von einer großen Karriere träumt. Er hält mit der Kamera Situationen fest, fotografiert seine Freunde (darunter Robert Gwisdek, Alice Dwyer) und seine Freundin (Aylin Tezel), die wegen ihm von Freiburg nach Berlin zieht, während er im Herzen von einer anderen schwärmt. Beim fast beliebigen Liebesreigen hat man guten oder schlechten Sex ohne den Gefühlsmodus zu sehr zu strapazieren. Und wenn man irrtümlich glaubt, die Beziehung sei stabil und zieht zusammen, erweisen sich die Umzugskartons als stabiler.

Es sind Lebens- und Liebesgeschichten, die anhand von Umzügen erzählt werden, voller Melancholie, Enttäuschung aber auch Optimismus. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, wenn auch nicht lange. Die größtenteils witzigen Dialoge kommen auf den Punkt, die Figuren wirken authentisch, der filmische Blick auf Verhaltensweisen und Bindungsmuster einer Generation sagt mehr aus als jede wissenschaftliche und weltfremde Statistik. Hier wird gelebt." (http://www.kino.de)

Wir müssen nichts so machen wie wir scannen, nur weil wir scannen wie wir scannen. :mrgreen:

Tja, um diesen Satz jetzt verstehen zu können, sollte man sich den Film mal angesehen haben.
Ich werde den Satz jetzt extra nicht auflösen, damit der Film hoffentlich von möglichst vielen Leuten gesehen wird.

Nachdem ich damals "Renn, wenn Du kannst" von Brüggemann im Kino gesehen hatte, war ich sehr gespannt, wie sein nächster Film ausfallen würde.
Und bei "3 Zimmer, Küche, Bad" handelt es sich glücklicherweise um einen ebenso witzigen wie naturalistischen Film, der die heutige, junge Generation ziemlich gut auf den Punkt bringt.
Ich finde es immer grandios wenn ein Filmemacher Humor mit Anspruch verbinden kann.
Und das haben Dietrich und Anna Brüggemann - die nebenbei auch noch die weibliche Hauptrolle spielt - hier mit ihrem Drehbuch definitiv geschafft.
So unglaublich tolle Figuren, gepaart mit realistischen und gleichzeitig völlig bizarren Ideen habe ich im deutschen Kino lange nicht mehr gesehen.
Das letzte Mal vermutlich bei "Renn, wenn Du kannst".
Manche Mono- und Dialoge sind einfach zum dahinschmelzen schön, witzig, traurig, wahrhaftig.
Dann gibt es Szenen, wie beispielsweise die zwischen Jakob Matschenz und Aylin Tezel im Auto, die einen irgendwie völlig direkt und fast schon unvorbereitet trifft und unglaublich zu Herzen geht. Der Gefühlsausbruch von Tezel in dieser Szene war so unglaublich echt und nachvollziehbar.
Die Inszenierung des Films kommt zwar spröde und geerdet rüber, bekommt aber gleichzeitig durch die absurden und wirklich witzigen Dialoge und natürlich durch die absolut tollen Darsteller ein kurzweiliges Tempo verpasst.
Es handelt sich hierbei also kurz gesagt um eine kunstvolle Komödie, oder um witziges Kunstkino - je nachdem wie man möchte.
So ein deutsches Kino würde ich mir häufiger wünschen.


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