Malcolm & Marie

In diesem Forum wird über Filme jeder Art diskutiert. Bitte prüfe vor Erstellung eines neuen Film-Threads, ob der Film bereits in der Liste der Filme A-Z vorhanden ist.

Moderatoren: Damien3, Detlef P., Murillo

Antworten
Benutzeravatar
Detlef P.
Der Auserwählte
Der Auserwählte
Beiträge: 6835
Registriert: Mo 11. Okt 2004, 10:37
Wohnort: Berlin

Malcolm & Marie

Beitrag von Detlef P. »

Bild

USA, 2021
Regie: Sam Levinson
Darsteller: Zendaya, John David Washington

"Der Filmemacher Malcolm (John David Washington) hat den besten Abend seines Lebens. Sein neustes Werk hat soeben Premiere gefeiert und die Reaktionen waren überwältigend. Sogar die "white Lady" der L.A. Times zeigte sich sehr angetan, obwohl sie Malcolms letzten Film in der Luft zerrissen hat.

Als er gemeinsam mit seiner Freundin Marie (Zendaya) nach Hause kommt, kippt die Stimmung jedoch. Marie zeigt sich reserviert und abweisend. Kurze Zeit später wird klar warum: Malcolm hat vergessen, sie in seiner Dankesrede zu erwähnen, obwohl der Film maßgeblich von ihrem Leben beeinflusst wurde.

Es ist nur eines von vielen Problemen, die sich zwischen den beiden angestaut haben. Was folgt, ist eine intensive Nacht voller Streitgespräche und verletzenden Worten. Malcolm und Marie sezieren ihre Beziehung mit schmerzlichem Ergebnis." (www.moviepilot.de)

Seitdem der Film auf Netflix gestartet ist (in den USA hatte er immerhin eine limitierte Kinoauswertung), sind die Stimmen zu selbigem doch sehr geteilter Meinung.
Hoch gelobt werden immer wieder die beiden Stars Zendaya und Washington, die absolut alles in ihren Rollen geben und den Zuschauer durch ihre intensiven Performances gefangen nehmen. Viele waren gerade von Zendayas Darbietung so begeistert, dass sie fest mit einer Oscarnominierung für sie gerechnet hatten.
Bis dahin kann ich auch noch vollkommen zustimmen.

Allerdings wird der Film selbst, das Geschehen und das Drumherum sehr häufig stark kritisiert.
Da kann ich jedoch nicht mehr zustimmen.
Zwar kann ich nachvollziehen, dass der Film anstrengend sein mag. Denn das ist er wirklich. Er ist, weder auf formaler, noch auf inhaltlicher Ebene, sonderlich einfach.
Es handelt sich hierbei um ein Kammerspiel. Wir sehen die ganze Zeit zwei Menschen zu, wie sie miteinander reden. Der Film spielt auch nur an einem Ort, nämlich bei ihnen zu Hause. Soll heißen, es gibt, was tatsächliche "Outer Action" oder, auf deutsch gesagt, äußere Handlungen angeht, wirklich nicht viel Veränderung.
Aber was einem inhaltlich vorgetragen wird, hat so unheimlich viel Substanz, auch wenn leider häufig das Gegenteil behauptet wird. Ich las tatsächlich in einer Kritik, dass der Film sehr wenig zu sagen hätte.

Und an dieser Stelle kann ich nicht nur nicht mehr zustimmen, sondern muss hier ganz vehement widersprechen.
Der Film hat sogar eine ganze Menge zu sagen. Ich würde sogar eher sagen, dass er mit Dingen, die er zu sagen hat, fast schon überladen ist, als dass er inhaltslos sei.
Es werden so viele Themen angesprochen: Wertschätzung, künstlerisches Schaffen, Rollenbilder, Politisierung, Abhängigkeit (in mehrerer Hinsicht), Rasse, Geschlechter, Beziehungen.
Die Dialoge sind dabei scharf, böse und sezierend. Sie zerlegen die genannten Themen in ihre Einzelteile, durchleuchten und analysieren sie.
Dabei werden wir von den herausragenden Darstellern gepackt und mitten in diese Gespräche reingezogen, sodass es kein Entkommen gibt.
Das einzige, was uns ein klein wenig die Distanz bewahren lässt, sind die edlen Schwarz-Weiß-Bilder, die der Kameramann hier gezaubert hat.
Naja, "richtiges" Schwarz-Weiß gibt es ja eigentlich schon lange nicht mehr. Früher in den alten Film-Noir-Streifen mit Bogart oder Cagney gab es Schwarz und Weiß, Licht und Schatten. Hier ist es vielmehr ein sehr helles, klinisches Grau, was aber ausgezeichnet die Überhöhung der Geschichte zu illustrieren vermag.
Überhöht deshalb, weil man immer das Gefühl hat, dass der Film eine Art Meta-Kommentar abgeben soll. Denn er stellt in vielen Bereichen das Arbeiten in Hollywood in den Vordergrund, auch wenn es am Ende doch immer wieder um die Beziehung der Protagonisten geht. Aber die momentanen Strömungen und Bewegungen in Hollywood spielen immer eine Rolle. Da dies jedoch ein Film aus Hollywood ist, macht dies den Film zu einem Meta-Kommentar, den man nur in einer überhöht-künstlichen, abstrahierten Art präsentieren kann.
Und dies ist hier gelungen, ganz eindeutig sogar.
Ich weiß also nicht, was dem Film genau vorgeworfen wird.

O.k., als unfassbar grandioses Meisterwerk würde ich ihn jetzt auch nicht bezeichnen.
Aber in seinen besten Momenten - und von denen gibt es einige - fühlte ich mich tatsächlich an Woody Allens "Manhattan" oder gar an die Streitgespräche zwischen Cruise und Kidman in Kubricks "Eyes Wide Shut" erinnert.
Und so eine Assoziation ist, in meinen Augen, wirklich eine Auszeichnung. Und das nur mit zwei Menschen, die miteinader reden.
Da war für mich mehr Emotion und Anspannung, als in vielen anderen Filmen aus den letzten Jahren zu spüren, sodass es mir nicht möglich war, meine Augen von dem Geschehen abzuwenden, bis auch das letzte Bild über meine Netzhaut geflimmert war.


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

"Die Seele ist das Schiff, Vernunft das Steuer und Wahrheit der Hafen." (türk. Weisheit)

"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein." (Daniel J. Boorstin)

Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

Las-Vegas-Ambiente :fuckU: (Insider)
Antworten