Nomadland

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Detlef P.
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Nomadland

Beitrag von Detlef P. »

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USA/D, 2020
Regie: Chloé Zhao
Darsteller: Frances McDormand, David Strathairn, Linda May, Charlene Swankie, Bob Wells

"Fern (Frances McDormand) ist Anfang 60 und hat nicht mehr viel in ihrem Leben. In einem rostigen Van reist sie durch den Westen der USA. Ihre letzten Habseligkeiten passen in das Gefährt, als Erinnerung an ihren verstorbenen Mann trägt sie seine Jacke.

Fern bleibt nie länger, als sie muss, und doch so lang, um sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten. Von Toilettenputzen auf einem Campingplatz über einem Aushilfsjob bei Amazon bis hin zu Arbeit in einem Imbiss arbeitet sie immer so lange, wie sie darf und will, um genügend Geld für Benzin und das Wenige, was sie sonst zum Leben braucht, zu verdienen.

Ihr Heimatort Empire wurde zur Geisterstadt erklärt, als 2011 der größte Arbeitgeber seine Fabrik schloss und die Anwohner ihre Häuser zurücklassen mussten, um anderswo ein Leben aufzubauen. Doch auch ihrer Reise ohne Ziel ist Fern nicht immer allein, sondern lernt dabei zahlreiche Menschen kennen, die ebenso aus Neugier, Verlust, Trauer oder Wunsch heraus ihr mobiles Leben begonnen haben." (www.kino.de)

Und da die Kinos endlich wieder geöffnet haben, habe ich mir diese Woche gleich noch einen der vielen Filme angesehen, die mit Verspätung auch endlich zu uns kommen und die ich schon lange mal sehen wollte.

Ich möchte von vornherein sagen, dass "Nomadland" definitiv kein Film für jedermann/jedefrau/jedesdiverse/jedesgendersternchen ist, sondern ein sehr ruhiger, fast schon meditativer Film, wo handlungstechnisch nicht wirklich viel passiert, sondern sehr stark das Befinden der Charaktere im Vordergrund steht.
Der Film wurde tatsächlich sogar von Kritikern mit dem italienischen Neorealismus verglichen, da viele der Menschen, die im Film auftauchen, echte Nomaden sind und im Grunde genommen sich selbst spielen. Und so war es ja damals in den italienischen Filmen ebenfalls.
Auf jeden Fall ist der Film semifiktionaler Natur und bildet eine Rahmenhandlung um die real existierenden Sorgen und Nöte dieser Menschen ab.
Dass das Ganze nicht zu einem Depri-Fest verkommt, ist zum einen der positiven Grundstimmung, zum anderen der tollen Regie und den wahnsinnig schönen Kamerabildern und zuletzt Frances McDormand und ihrem großartigen Spiel zu verdanken.
Es wird zwar einerseits gezeigt, wie schlimm es manche Menschen getroffen hat, aber es wird auch immer auf die Freiheit hingewiesen, die dadurch entsteht, dass man immer weiter und weiter, von Ort zu Ort, ziehen kann.
Dieses Gefühl wird auch durch die tollen Bilder und die Atmosphäre erzeugt, die einen einzigartigen Sog entwickeln und einen nicht mehr loslassen.
Und McDormands Rolle kann man im Prinzip mit einer sehr schönen Szene aus dem Film perfekt zusammenfassen. Als der Teller, den sie von ihrem verstorbenen Vater bekommen hat und der ihr unglaublich viel bedeutet, eines Tages unabsichtlich von jemandem kaputt gemacht wird, holt sie eine Tube Sekundenkleber raus und macht ihn wieder ganz.
Gebrochen, aber aus der Zerbrechlichkeit wie Phoenix aus der Asche auferstanden und nicht unterzukriegen - das ist ihre Rolle!
Und genauso spielt sie diese auch. Sie hat sogar mehrere Monate aus Nomadin gelebt, um sich mit der Rolle vertraut zu machen.
Das Ergebnis ist eine wahnsinnig authentische Performance, für die sie jetzt bereits (neben anderen, wichtigeren Preisen) ihren dritten Oscar erhalten hat.
Und diese Leistung fügt sich nahtlos in den restlichen Film ein und gibt ihm die Authentizität, die er braucht, um diesen Sog entwickeln zu können.
Wie gesagt, es ist nicht für jeden etwas. Aber alle, die etwas mit so einer Art Film anfangen können, sollten sich diesen nicht entgehen lassen.


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

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Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

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