
Bevor wir Ende nächster Woche beginnen, auf dieses Kinojahr zurückzublicken, was ja leider - den Umständen geschuldet - eher bescheiden ausgefallen ist, werde ich in den nächsten Tagen die Rückblicke auf die Jahre vollziehen, die in unserer Abwesenheitsperiode entstanden.
Dann fangen wir mal an:
1. Her
Jedes Jahr diese rhetorische Frage: Welcher sonst?
Auf die es auch in diesem Jahr nur eine Antwort geben konnte.
Niemals werde ich diesen Anfang vergessen. Die deprimierende und zugleich wunderschöne Musik von Arcade Fire, die krakelige Schrift im Vorspann und dann... dieser Blick von einem überragenden Joaquin Phoenix, der mit minimalistischer Mimik einen so traurigen Ausdruck in seinen Augen mit dem Publikum teilt, dass ich fast Gänsehaut bekomme, wenn ich nur daran denke.
Ein absolut überragendes Meisterstück, von Spike Jonze hervorragend geschrieben und inszeniert, werden hier grundsätzliche und allgemeingültige Fragen zum Thema Glück und Beziehungen gestellt... während die Hauptfigur eine Beziehung mit einem Computerprogramm - gesprochen von Scarlett Johansson - hat.
Die melancholische und zugleich irrwitzige Stimmung, die den gesamten Film durchtränkt, gepaart mit einer absoluten Jahrhundertvorstellung von Phoenix.
Meine Güte, was für ein Film. Völlig zu recht ganz vorne!
2. The Grand Budapest Hotel
Großartig und eventuell sogar Wes Andersons bester Film seiner bisherigen Karriere.
Hier wird, gefühlt, alles potenziert, was seine Filme so grandios macht.
Stars bis in die kleinsten Rollen, wortgewandte Dialoge, schräge und doch liebenswerte Charaktere und natürlich diese komplette irre, theatralische Ausstattung und der famose Soundtrack machen den Film fast zu einem Wes Anderson-Best Of.
Allerdings würde es dem Film nicht gerecht werden, ihn so abzutun. Es wird zugleich eine universelle Geschichte erzählt, die - obgleich völlig überzeichnet - eine Art Gleichnis darstellt und auf alle möglichen Zeiten und Orte übertragen werden kann.
Und das kann halt wirklich nur ein Wes Anderson in seiner einzigartigen Art so wundervoll erzählen.
3. 12 Years a Slave
Überragend und zu Recht mit mehreren Preisen überhäuft worden.
Brillanteste Leistungen, ganz besonders von Chiwetel Ejiofor, Sarah Paulson, Michael Fassbender und natürlich Lupita Nyong'o, die hier ihren großen Durchbruch erlebte.
Steve McQueen inszeniert das ausgezeichnete Skript von John Ridley so gekonnt, gefühlvoll und zugleich schonungslos, dass man regelrecht aufgesogen wird von der unglaublichen Ungerechtigkeit, die sich hier abspielt und man die vollen zwei Stunden wie gebannt ist.
Einfach großes Kino!
4. The Wolf of Wall Street
Scorsese variiert hier gefühlt eigentlich nur das Konzept, das er bereits bei Filmen wie "Goodfellas" oder "Casino" angewandt hat.
Allerdings sind die kompletten drei(!) Stunden Film so wahnsinnig unterhaltsam und kurzweilig geraten, dass das gar nicht ins Gewicht fällt.
DiCaprio spielt sich, mal wieder, die Seele aus dem Leib, Margot Robbie hatte, absolut verdient, ihren Durchbruch und Jonah Hill zeigt, dass er nicht nur in Dödelkomödien den,... nun ja,... Dödel geben kann

Hier wurde alles hervorragend kombiniert und Genialität trifft auf Genialität. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen.
5. Guardians of the Galaxy
Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass der Film erstens so einschlagen und zweitens so gut werden würde.
Ehrlich gesagt, hatte ich mich schon darauf eingestellt, dass ich diesen Film im Kino auslassen und nur auf DVD schauen würde.
Klang nämlich so, als wollte Marvel hier, ganz billig, den letzten Saft aus ihrer Erfolgszitrone pressen.
Dass am Ende ein so schöner, irrer, witziger, actiongeladener und einfach toll gemachter Blockbuster herauskommen würde, hätte ich im Leben nicht gedacht.
Marvel hat alles auf eine Karte gesetzt und sich am Ende vermutlich sogar selbst überrascht. SO geht geiles Blockbuster-Kino, liebes Hollywood!
6. Nightcrawler
Top-Performance von Jake Gyllenhaal, der in einem so zynisch-bösen und gleichzeitig so genialen wie aktuellen Film den "Anti-Helden" - oder ist er nicht eigentlich schon sehr deutlich der Bösewicht? - spielt, dass einem schwindelig wird.
Nicht umsonst wurde der Film, direkt nach Erscheinen, von einigen gar als eine Art moderner "Taxi Driver" bezeichnet.
Und auch, wenn das vielleicht nicht ganz passt, präsentiert sich der Film zumindest als ein würdiger Nachfolger des 70er-Jahre-New Hollywood, als man sich noch getraut hat, brisante Themen anzusprechen und filmtechnisch eindrucksvoll zu verpacken.
7. Gone Girl
Absolute Klasse!
Man merkt, dass Fincher über all die Jahre nichts verlernt hat, als Großmeister der spannenden und vor allem wendungsreichen Thriller.
Rosamund Pike spielt sich in die A-Liga und Ben Affleck macht als sympathischer Typ von nebenan, der in die absolut größte Scheiße gerät, auch eine wirklich gute Figur.
Das Ende ist dabei so bitterböse, wie man es kaum für möglich gehalten hätte.
Bitte mehr davon, David!
8. Enemy
Absolut irrer Trip und geiler Geheimtipp von Denis Villeneuve, der ja in den letzten Jahren auch ganz schön Eindruck in Hollywood schinden konnte und jetzt sogar "Dune" neu verfilmen durfte.
Jake Gyllenhaal brilliert erneut in einem abgefahrenen Thriller mit doppeltem Boden, der ab einem gewissen Punkt völlig ins surrealistische David Lynch-Wunderland abdriftet, aber bereits von vornherein eine so tolle, spannungsgeladene, geheimnisvolle und bedrohliche Atmosphäre, gespickt mit symbolträchtigen Momenten, aufbaut, dass es eine wahre Freude ist, diesem Zug beim Entgleisen in Zeitlupe zuzusehen

9. Boyhood
Wow!
Ich hatte, ohne Scheiß, als ich noch jünger war, auch mal die Idee, über mehrere Jahre hinweg einen Film mit den gleichen Darstellern zu machen, denen man beim Altern zusehen darf, da ich der Meinung war, dass es das noch nicht gab.
Tja, gab es auch nicht, bis Richard Linklater es in die Tat umsetzte. Da war wohl jemand schneller als ich

Die tollen Darsteller (Patricia Arquette wurde ja sogar mit diesem Hollywood-Briefbeschwerer ausgezeichnet) und die so unglaublich echt wirkenden Momente, lassen einen - trotz der enormen Laufzeit von fast drei Stunden - die ganze Zeit nicht mehr los und man wird einfach reingesogen in das Leben von Mason. Und zwar von seinem 6. bis 18. Lebensjahr.
Ein tolles, wunderbar geglücktes Filmexperiment, das am Ende aber voll aufgeht.
10. X-Men: Zukunft ist Vergangenheit
Der, für mich, deutlich geilste "X-Men"-Streifen, seit dem allerersten Film aus dem Jahr 2000, den ich tatsächlich bis heute als ungeschlagen ansehe (und auch der einzige Film der Reihe ist, den ich auf DVD habe).
Aber "Days of Future Past" - so der Originaltitel - ist tatsächlich der Film, der es fast geschafft hätte, dem ersten den Rang abzulaufen. Denn hier kulminiert tatsächlich die Reihe in einem Zusammentreffen der neuen und alten Garde des Franchise, umhüllt von einer spitzenmäßigen Zeitreise-Geschichte, die so rasant, mitreißend und eindrucksvoll inszeniert ist, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt.
Einer der absoluten Höhepunkte der langlebigen Mutanten-Truppe.
Ebenfalls gut waren:
The Return of the First Avenger (OT: Captain America: The Winter Soldier)
Dallas Buyers Club
Interstellar
Can A Song Save Your Life?
Kreuzweg
Größte Enttäuschung des Jahres:
Tja, auch hier ein "welcher sonst?", aber obwohl "Sin City: A Dame to Kill For" auch ein heißer Anwärter war, hat mich absolut kein Film - nicht nur in diesem, sondern vermutlich in den ganzen letzten Jahren - so verdammt tief enttäuscht und sprachlos und regelrecht wütend zurückgelassen, wie "The UNamazing Spider-Man 2".
Mir ist es bis heute nicht klar, wie man einen Spiderman-Film so absolut hundsmiserabel versauen kann, aber das wird wohl immer ein Geheimnis der inkompetenten Arschlöcher bei Sony bleiben.
Da war das Video, was die Typen, die normalerweise die genialen "Honest Trailers" bei Youtube produzieren, gemacht haben, als sie mit den Leuten von "Cinema Sins" einmal das Format getauscht haben, eine regelrechte Therapie für mich. Danke dafür!:
Ehrenvolle Erwähnung des Jahres:
Leider lief dieser Film bei uns nicht im Kino, sondern kam nur auf DVD raus.
Eine wahre Schande, denn "Under the Skin" ist in seiner Art absolut einzigartig.
Eine famose Leistung von Scarlett Johansson und eine so unglaublich irre Idee, verpackt in eine atemberaubende Inszenierung, die einem wirklich die Sprache verschlägt, hätten es wirklich verdient, auf der großen Leinwand genossen zu werden.
Ein unglaublicher, experimenteller Geheimtipp und underground pur

Kurzweiligster Unsinn des Jahres:
Hahaha, den Quatsch muss ich tatsächlich auch nochmal kurz gegen Ende erwähnen, aber ich hatte mal wieder richtig viel Spaß, mir "Expendables 3" im Kino anzusehen, nachdem ich mir auch die ersten zwei immer mit Freunden im Kino angesehen habe.
Und das waren wirklich die EINZIGEN Filme, in die ich nicht wegen des Films selbst ins Kino gegangen bin, sondern wegen des "Eventcharakters", so einen absoluten Schwachmaten-Scheiß von Film mit diesen ganzen, alt gewordenen Fressen zu sehen, die einen auf reaktionären Action-Deppen machen, als hätten wir noch 1987

Aber die Chance, zusammen mit Gleichgesinnten über diesen Bullshit lachen und dumme Sprüche über das Geschehen reißen zu können, war mir das Geld wirklich jedes Mal wert.
So, das war's dann auch schon.
Fortsetzung folgt mit dem nächsten Kinojahr.