Die Verachtung
Verfasst: Mi 17. Mai 2006, 15:33
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OT: Le Mépris; Frankreich/Italien, 1963
Regie: Jean-Luc Godard
Darsteller: Brigitte Bardot (Camille Javal), Michel Piccoli (Paul Javal), Jack Palance (Jeremy Prokosh), Giorgia Moll (Francesca Vanini), Fritz Lang (er selbst)
Inhalt: Auf Capri wird unter der Regie von Fritz Lang ein Film über die Irrfahrten des Odysseus gedreht. Der Filmproduzent und Geldgeber Jeremy Prokosch kann mit Langs Kunstkino allerdings überhaupt nichts anfangen und wünscht sich etwas massentauglicheres. Deshalb bittet er den Krimischriftsteller Paul Javal das Script für ihn umzuschreiben. Paul muss sich nun entscheiden zwischen Kunst- und Kommerzkino. Als er sich schließlich für die Kommerzialisierung entscheidet, scheint auch sein Privatleben unter dieser Entscheidung leiden. Eine Ehekrise entsteht und seine geliebte Frau Camille fängt an ihn zu verachten, da sie glaubt, er würde nicht nur sich durch die Umänderung des Drehbuchs verkaufen, sondern auch sie, indem er versucht sie mit dem Produzenten Prokosch zu verkuppeln.
In Die Verachtung setzt Regisseur Jean-Luc Godard sich selbst, den Hauptcharakter Paul Javal (gespielt von Michel Piccoli), sowie jeden Künstler vor die Wahl, zwischen Geld, Ruhm und der künstlerischen Unabhängigkeit. Diese Entscheidung ist von existenzieller Wichtigkeit für jeden Künstler und so ist es auch bei Paul Javal nicht anders. Diese Entscheidung nimmt Einfluss auf sein Privatleben: Seine über alles geliebte, wunderschöne Frau Camille (Brigitte Bardot) beginnt ihn für seine Wahl zu verachten. Camille verkörpert hierbei die Kunst, die Paul ebenso liebt, wie seine Frau und beide scheint er an den dekadenten, reichen, machohaften Playboy Prokosch (Jack Palance) zu verkaufen.
Nicht nur mit der Person von Camille wird hier auf die Kunst angesprochen, eigentlich alles in Die Verachtung ist eine Anspielung, sei es auf andere Filme, auf Kommerzialisierung und Hollywood, auf Godards persönliche Auseinandersetzung mit diesen Thema, erstmals einen in kommerzielle Richtung einschlagenden Film mit einem Star wie Brigitte Bardot zu drehen, oder auf das Filmemachen an sich, die Geschichte des Films im Film. Beispielsweise die erste und letzte Szene stehen hierfür als sehr gutes Exemplar. Direkt zu Anfang sehen wir in weiter Ferne ein Kamerateam, welches gerade eine Frau filmt, die sich auf uns zu bewegt. Als die Kamera nah genug bei uns ist, treffen sich beide Kameras, die, durch welche wir die Szenerie beobachten und die des Filmteams. Wir sehen nun direkt in die Kameralinse der anderen Kamera, wir sehen in ihr den Film im Film und wiederum scheint sie uns, die Realität, zu filmen. Im Verlaufe des Films scheinen Wirklichkeit und Film immer mehr miteinander zu verschmelzen, bis wir am Schluss genau das Umkehrte wie anfangs beobachten. Wieder kriegen wir ein Filmset zu sehen, doch diesmal schauen sich die Kameras nicht mehr an, sie deuten auf den gleichen Punkt, irgendwo am Horizont. Doch auch innerhalb des Filmes gibt es wiederum Anspielungen, beispielsweise diskutieren Fritz Lang und Paul Javal in einer Szene über das Innenleben von Homers Figuren Odysseus und Penelope und meinen hiermit eigentlich Paul und Camille. Um diese Anspielungen noch zu bestärken setzt Godard immer wieder berühmte Zitate ein, zum Beispiel von Bertolt Brecht.
Des weiteren wird durch die Sprachbarrieren - das Ehepaar Javal spricht Französisch, der Produzent Prokosch Englisch und der Regisseur Lang Deutsch - deutlich, dass es hier auch um Kommunikation geht. Einzig und allein durch die Dolmetscherin Francesca (Giorgia Moll) kommt es dazu, dass sich die Figuren durch eine sehr passive Art und Weise verstehen können. Doch auch zwischen Camille und Paul selbst scheint die Kommunikation nicht gut zu funktionieren. Paul versteht nicht, wieso Camille plötzlich diese Abneigung gegenüber ihm entwickelt und sie weigert sich ihm eine klare, konkrete Aussage darüber zu geben.
Diesen anspielungsreichen, künstlerischen Inhalt veredelt Godard noch durch technische Perfektion. Beispielsweise setzt er eine in drei Phasen geteilte Bildsymbolik ein: Anfangs kriegen wir einen fast schon voyeuristisch, intimen Einblick in das glückliche Liebesleben von Camille und Paul zu sehen. Dieser Teil ist vollkommen in Rot gehalten. Als Camilles Liebe sich langsam in Verachtung umwandelt, setzt Godard einen Weißfilter ein. Als dann die Ehe schließlich gescheitert ist, werden die Farben hauptsächlich von einem kalten, kräftigen Blau beherrscht. Des weiteren sind die Kamerafahrten einfach immerzu grandios gestaltet und wunderschön anzusehen. Besonders die langen, farbenprächtigen, intensiven Shots zum Ende hin auf Capri, zeigen, wie sehr Godard sein Medium liebt und beherrscht. Auch die klassische Musik, die während des Films wenig variiert, wird jedes Mal dramaturgisch fantastisch eingesetzt.
Die Verachtung beherbergt so viele Anspielungen wie kaum ein anderer Film. Godard liefert hiermit, nicht zuletzt durch die hervorragende Verfremdungstechnik im Bild- und Tonbereich, einen sehr selbstreflexiven Film über den Film an sich. Die Verachtung ist in meinen Augen eine persönliche Auseinandersetzung mit der Kunst, sowie auch mit dem Kino. Ein Film, der Godards Liebe zum Medium Film so intensiv und wundervoll wiederspiegelt, wie kein zweiter. Man spürt, Godard liebt das Medium Film wahrhaftig, Godard liebt Die Verachtung. Und auch bei mir ist es, aus all den zahlreichen Gründen kein bisschen anders. Ich liebe das Medium Film wahrhaftig, ich liebe Die Verachtung.
Naja, ist jetzt Review und Filmvorstellung in einem geworden, aber nachdem ich mir Die Verachtung neulich nochmal angeschaut habe, musste das einfach raus. Der fehlte hier definitiv noch! Einer meiner absoluten Lieblinge... und bestimmt der richtige Film für Damien3.
OT: Le Mépris; Frankreich/Italien, 1963
Regie: Jean-Luc Godard
Darsteller: Brigitte Bardot (Camille Javal), Michel Piccoli (Paul Javal), Jack Palance (Jeremy Prokosh), Giorgia Moll (Francesca Vanini), Fritz Lang (er selbst)
Inhalt: Auf Capri wird unter der Regie von Fritz Lang ein Film über die Irrfahrten des Odysseus gedreht. Der Filmproduzent und Geldgeber Jeremy Prokosch kann mit Langs Kunstkino allerdings überhaupt nichts anfangen und wünscht sich etwas massentauglicheres. Deshalb bittet er den Krimischriftsteller Paul Javal das Script für ihn umzuschreiben. Paul muss sich nun entscheiden zwischen Kunst- und Kommerzkino. Als er sich schließlich für die Kommerzialisierung entscheidet, scheint auch sein Privatleben unter dieser Entscheidung leiden. Eine Ehekrise entsteht und seine geliebte Frau Camille fängt an ihn zu verachten, da sie glaubt, er würde nicht nur sich durch die Umänderung des Drehbuchs verkaufen, sondern auch sie, indem er versucht sie mit dem Produzenten Prokosch zu verkuppeln.
In Die Verachtung setzt Regisseur Jean-Luc Godard sich selbst, den Hauptcharakter Paul Javal (gespielt von Michel Piccoli), sowie jeden Künstler vor die Wahl, zwischen Geld, Ruhm und der künstlerischen Unabhängigkeit. Diese Entscheidung ist von existenzieller Wichtigkeit für jeden Künstler und so ist es auch bei Paul Javal nicht anders. Diese Entscheidung nimmt Einfluss auf sein Privatleben: Seine über alles geliebte, wunderschöne Frau Camille (Brigitte Bardot) beginnt ihn für seine Wahl zu verachten. Camille verkörpert hierbei die Kunst, die Paul ebenso liebt, wie seine Frau und beide scheint er an den dekadenten, reichen, machohaften Playboy Prokosch (Jack Palance) zu verkaufen.
Nicht nur mit der Person von Camille wird hier auf die Kunst angesprochen, eigentlich alles in Die Verachtung ist eine Anspielung, sei es auf andere Filme, auf Kommerzialisierung und Hollywood, auf Godards persönliche Auseinandersetzung mit diesen Thema, erstmals einen in kommerzielle Richtung einschlagenden Film mit einem Star wie Brigitte Bardot zu drehen, oder auf das Filmemachen an sich, die Geschichte des Films im Film. Beispielsweise die erste und letzte Szene stehen hierfür als sehr gutes Exemplar. Direkt zu Anfang sehen wir in weiter Ferne ein Kamerateam, welches gerade eine Frau filmt, die sich auf uns zu bewegt. Als die Kamera nah genug bei uns ist, treffen sich beide Kameras, die, durch welche wir die Szenerie beobachten und die des Filmteams. Wir sehen nun direkt in die Kameralinse der anderen Kamera, wir sehen in ihr den Film im Film und wiederum scheint sie uns, die Realität, zu filmen. Im Verlaufe des Films scheinen Wirklichkeit und Film immer mehr miteinander zu verschmelzen, bis wir am Schluss genau das Umkehrte wie anfangs beobachten. Wieder kriegen wir ein Filmset zu sehen, doch diesmal schauen sich die Kameras nicht mehr an, sie deuten auf den gleichen Punkt, irgendwo am Horizont. Doch auch innerhalb des Filmes gibt es wiederum Anspielungen, beispielsweise diskutieren Fritz Lang und Paul Javal in einer Szene über das Innenleben von Homers Figuren Odysseus und Penelope und meinen hiermit eigentlich Paul und Camille. Um diese Anspielungen noch zu bestärken setzt Godard immer wieder berühmte Zitate ein, zum Beispiel von Bertolt Brecht.
Des weiteren wird durch die Sprachbarrieren - das Ehepaar Javal spricht Französisch, der Produzent Prokosch Englisch und der Regisseur Lang Deutsch - deutlich, dass es hier auch um Kommunikation geht. Einzig und allein durch die Dolmetscherin Francesca (Giorgia Moll) kommt es dazu, dass sich die Figuren durch eine sehr passive Art und Weise verstehen können. Doch auch zwischen Camille und Paul selbst scheint die Kommunikation nicht gut zu funktionieren. Paul versteht nicht, wieso Camille plötzlich diese Abneigung gegenüber ihm entwickelt und sie weigert sich ihm eine klare, konkrete Aussage darüber zu geben.
Diesen anspielungsreichen, künstlerischen Inhalt veredelt Godard noch durch technische Perfektion. Beispielsweise setzt er eine in drei Phasen geteilte Bildsymbolik ein: Anfangs kriegen wir einen fast schon voyeuristisch, intimen Einblick in das glückliche Liebesleben von Camille und Paul zu sehen. Dieser Teil ist vollkommen in Rot gehalten. Als Camilles Liebe sich langsam in Verachtung umwandelt, setzt Godard einen Weißfilter ein. Als dann die Ehe schließlich gescheitert ist, werden die Farben hauptsächlich von einem kalten, kräftigen Blau beherrscht. Des weiteren sind die Kamerafahrten einfach immerzu grandios gestaltet und wunderschön anzusehen. Besonders die langen, farbenprächtigen, intensiven Shots zum Ende hin auf Capri, zeigen, wie sehr Godard sein Medium liebt und beherrscht. Auch die klassische Musik, die während des Films wenig variiert, wird jedes Mal dramaturgisch fantastisch eingesetzt.
Die Verachtung beherbergt so viele Anspielungen wie kaum ein anderer Film. Godard liefert hiermit, nicht zuletzt durch die hervorragende Verfremdungstechnik im Bild- und Tonbereich, einen sehr selbstreflexiven Film über den Film an sich. Die Verachtung ist in meinen Augen eine persönliche Auseinandersetzung mit der Kunst, sowie auch mit dem Kino. Ein Film, der Godards Liebe zum Medium Film so intensiv und wundervoll wiederspiegelt, wie kein zweiter. Man spürt, Godard liebt das Medium Film wahrhaftig, Godard liebt Die Verachtung. Und auch bei mir ist es, aus all den zahlreichen Gründen kein bisschen anders. Ich liebe das Medium Film wahrhaftig, ich liebe Die Verachtung.
Naja, ist jetzt Review und Filmvorstellung in einem geworden, aber nachdem ich mir Die Verachtung neulich nochmal angeschaut habe, musste das einfach raus. Der fehlte hier definitiv noch! Einer meiner absoluten Lieblinge... und bestimmt der richtige Film für Damien3.
