Murillo hat geschrieben: ↑Fr 16. Apr 2021, 15:18
Komisch, ich dachte, das hätte ich oft genug zum Ausdruck gebracht.
Andererseits ist es ja keineswegs so, dass ich die deutsche Filmindustrie verachte. Sie hat im Laufe der Zeit einige großartige Filme hervorgebracht, die sicherlich ganz oben in der ersten Liga der Filmwelt mitspielen. Nur halt bei weitem nicht so viele, wie es sein könnten, wenn man das Potenzial richtig ausspielen würde.
Da stimme ich Dir ja auch völlig zu.
Ich habe Dich nur früher tatsächlich nie über die deutsche Filmindustrie lamentieren gehört. Du bist sogar, im Gegenteil, immer mit mir in deutsche Filme ins Kino gegangen, wenn ich mal einen sehen wollte und fandest die zumeist auch gut.
Dass Du kein riesengroßer Verfechter von ihr bist, o.k.. Aber dass Du nicht viel von ihr hältst, wusste ich nicht.
Gut, Du hast es ja jetzt noch etwas relativiert, bzw. ausführlicher erklärt und ich stimme Dir in dem Punkt ja sogar absolut zu.
Murillo hat geschrieben: ↑Fr 16. Apr 2021, 15:18
Es wird jedoch nach wie vor immer noch unglaublich viel Schund produziert. Und da ich mittlerweile wieder relativ viel fernsehe, muss ich regelmäßig mit Erschrecken feststellen, dass dies in vielen Fällen nicht wirklich besser geworden ist. Hier muss man vielleicht aber auch mal zwischen den zahlreichen furchtbaren deutschen TV-Produktionen und den Kinofilmen unterscheiden, von denen ich in letzter Zeit nicht so viel mitbekommen habe. Kann ja sein, dass die mittlerweile auch wieder ganz gut geworden sind.
Aber gerade bei den TV-Serien und Fernsehfilmen gibt es mittlerweile endlich auch mal positive Tendenzen zu bestaunen.
Auch da stimme ich Dir zum Teil zu.
Man muss tatsächlich zwischen Fernsehen und Kino nochmal unterschieden, da es sowohl andere Strukturen bei den Verantwortlichen, als auch andere Maßstäbe gibt, bezüglich der Ziele, die erreicht werden sollen.
Das deutsche Fernsehen habe ich - im Gegensatz zum deutschen Kino - auch niemals verteidigt (auch wenn es da ebenfalls einige Ausnahmen gab, aber das waren in meinen Augen wirklich nicht mehr als Ausnahmen) und sehe dort auch jetzt erst in den letzten paar Jahren einen kleinen, positiven Trend aufwärts.
Deutsche Kinofilme hingegen waren, meiner Ansicht nach, nie wirklich schlecht. Zumindest nicht schlechter als die Produktionen aus vielen anderen Ländern auch.
Denn - Überraschung! - auch die USA, die UK, Frankreich oder all die anderen großen Filmnationen produzieren ebenfalls grottige Rotzfilme. Da sind wir nicht die einzigen.
Und wir haben genauso gute Filme im Repertoir, wie miese.
Das Ding ist nur, dass die guten Filme in Deutschland oft unter dem Radar fliegen, weil die keiner sehen will (genau wie die dänischen oder osteuropäischen Filme, die Du so magst, die wohl kaum ein "Normalkonsument" kennen oder mögen würde) und zugleich, wie ich letztens
hier schon einmal kundgetan habe, die erfolgreichen Filme zu 90% Kinderfilme, dümmliche Kalauerkomödien oder Schweiger/Schweighöfer-Filme sind.
Witzigerweise guckt die ja immer "keiner", sie haben aber den größten Erfolg. Keine Ahnung, wie das kommt...
Was die USA tatsächlich mit am besten kann, sind pure Unterhaltungsfilme zu produzieren. Da tun wir uns leider immer recht schwer mit.
Die Leute, die es können, gehen nach kurzer Zeit ins Ausland, weil die da mit ihren Ideen mehr Anklang finden und vermutlich auch besser bezahlt werden.
Deswegen rechne ich es Bully auch wahnsinnig hoch an, dass er nach einem Erfolg von "Der Schuh des Manitu" in Deutschland geblieben ist, obwohl Hollywood damals bei ihm angeklopft hat und er mit Sicherheit irgendeinen Deal hätte machen können. Die meisten hätten das getan, er nicht.
Leider werden in Deutschland nicht mal diese guten Thriller oder intelligente Horrorfilme produziert, die ja ebenfalls ins Genrekino gehören.
Selbst damit tun wir uns schwer, obwohl wir das Genre damals erst richtig auf den Weg gebracht haben und heute noch "Nosferatu" und "Das Kabinett des Dr. Caligari" als Referenzwerke genannt werden.
Und bezüglich Komödien: Entweder sind es Beziehungskomödien (die zum Teil sogar wirklich gut sind, aber halt irgendwann langweilen, wenn es NUR die Art von Komödien sind) oder es sind gar Schadenfreude-Komödien.
Ich habe mal irgendwo einen Artikel gelesen, wo sich eine Produzenten beschwerte, dass sie doch total gerne mal eine lustige Komödie drehen wollen würde, sie aber leider nie Drehbücher dazu bekäme.
Der Autor wies dann darauf hin, dass genau dieser Produzentin kurz zuvor ein Drehbuch zu einer intelligent geschriebenen Komödie, die ihren Humor jedoch aus absurden Alltagssituationen bezog, zugeschickt worden war. Das nahm die Produzentin gar nicht als Komödie wahr, weil man nicht über, sondern (wie in so vielen amerikanischen Independent-Komödien zum Beispiel) mit den Figuren lachte.
In Deutschland assoziieren viele Leute (zumindest in der Filmbranche) Humor immer noch mit Schadenfreude. Deswegen sind viele deutsche Komödien auch so mies und bestätigen nur die Vorurteile, dass wir keinen Humor hätten. Vor allem, da gerade die dann oft so erfolgreich sind, obwohl sie ja "keiner" guckt.
Deswegen fand ich es auch echt toll, dass damals mal der Film
"Alles auf Zucker" einen anderen Weg einschlug und zeigte, dass der Humor in einem deutschen Film auch anders aufgebaut sein kann. Das war jetzt, meiner Ansicht nach, nicht der ganz große Wurf, aber ein guter Schritt in die richtige Richtung.
Lange Rede, kurzer Sinn, viele Genres liegen in Deutschland leider tatsächlich brach, obwohl wir die Leute, die Ausstattung und das Know-How hätten, um es anders zu machen und das Potential bleibt definitiv hinter den Möglichkeiten zurück.
Andererseits sind deutsche Filme nicht per se schlecht und es gibt einige wirklich gute und lohnenswerte Filme unter ihnen.
Murillo hat geschrieben: ↑Fr 16. Apr 2021, 15:18
Ach ja, und was die Empire sagt, ist mir tatsächlich ziemlich latte. Wer es schafft, eine Top 100 der
"greatest movies" aller Zeiten zusammenzustellen, in welcher tatsächlich solche Gurken wie "Titanic" auftauchen, aber kein einziger osteuropäischer Film, hat von seinem Fach offenbar keine Ahnung. Da können die gerne auch behaupten, dass Deutschland die besten Weinanbaugebiete der Welt hat. Das wäre für mich ungefähr genau so relevant und ernstzunehmen.
Ich gebe auch nicht viel auf das "Empire"-Magazin und finde die Listen von denen, die ich hier auch schon öfter mal vorgestellt habe, nicht besser als die Sachen, die die Cinema zum Teil so rausgehauen hat.
Trotzdem findest Du in internationalen Listen (nicht nur vom Empire) deutlich häufiger deutsche Filme als dänische oder aus irgendeinem spezifischen Land aus Osteuropa.
Und, mein Lieber, diese deutschen Filme, die in diesen Listen oft genannt werden, mochtest Du auch immer. Das sind nämlich oft Filme von Herzog oder Wenders. Die fandest Du doch, früher zumindest, absolut großartig, oder?