Das weiße Band

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Detlef P.
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Das weiße Band

Beitrag von Detlef P. »

Bild

D/A/F/I, 2009
Regie: Michael Haneke
Darsteller: Christian Friedel, Burkhart Klaußner, Ulrich Tukur, Maria-Victoria Dragus, Leonard Proxauf, Leonie Benesch, Steffi Kühnert, Rainer Bock, Susanne Lothar, Ursina Lardi

"Die rätselhaften Ereignisse, von denen der Lehrer des kleinen norddeutschen Dorfes berichtet, "werfen auf manche Vorgänge in diesem Land ein erhellendes Licht". Am Vor­abend des Ersten Weltkriegs kommt es zu einer Reihe von Gewalttaten, die den Frieden im Ort nachhaltig erschüttern. Der Arzt stürzt bei einem Reitausflug über ein zwischen zwei Bäumen gespanntes Seil. Die Frau eines Bauern erleidet einen tödlichen Unfall. Der Sohn des Gutsbe­sitzers und das behinderte Kind der Hebamme werden entführt und brutal misshandelt. Der Einbruch des Bösen ist ein Thema, das den österreichischen Regisseur Michael Haneke seit Langem beschäftigt. Während er in Filmen wie "Funny Games" oder "Caché" ganz bewusst auf Erklärungen verzichtet hat, nähert er sich diesmal dem Ursprung der Gewalt. Die Kinder des Dorfes werden mit der Reit­gerte erzogen. Der protestantische Pfarrer (Burghart Klaußner) besteht darauf, seine Sprösslinge "durch Züchtigung zu reinigen". Das weiße Band, das er seiner Tochter ins Haar bindet, soll sie an Unschuld und Reinheit erinnern. Niedertracht und Bosheit bestimmen vielfach die Atmosphäre im Dorf: Der adlige Gutsbesitzer (Ulrich Tukur) behandelt seine Arbeiter mit gönnerhafter Herablassung, während der Arzt seine Praxis­helferin (Susanne Lothar) mit Verachtung straft und seine eigene Tochter missbraucht.

Trotz der ungeheuerlichen Vorfälle strahlt der Film, der in Cannes die Goldene Palme gewann und sich nun um einen Auslands-Oscar bewirbt, eine geradezu beängstigende Ruhe aus. Wie durch ein Brennglas blickt Haneke auf die dörfliche Gemeinschaft, deren Verrohung er als direkte Folge der autoritären und sexualfeindlichen Erziehung begreift. Wenn zwei Jahrzehnte später in Deutschland die ersten Konzentrationslager entstehen, sind die Kinder des Dorfes längst erwachsen. Die Ausrottung der Juden - für die Nazis war auch dies eine Frage der Reinheit - werden sie mit Anstand erledigen." (www.cinema.de)

Michael Haneke, Du hast mein Leben (nicht) zerstört
sondern es um einen weiteren genialen Film bereichert.

Denn dieser Film stellt mit Abstand eine der besten Arbeiten Hanekes dar.
Ich finde es großartig, dass Haneke im Grunde genommen das erste Mal überhaupt in seiner Karriere versucht den Ursprung der Gewalt zu erklären. Er deutet es zwar nur an, dass jedoch stärker als ich gedacht hatte. Und wenn man genau aufpasst, dann wird man dem auch gewahr.
Die ruhigen, langen Kameraeinstellungen, der komplette Verzicht auf Filmmusik und die tristen und kalten Schwarz-Weiß-Bilder unterstreichen die kranke Atmosphäre des Films perfekt.

Dieser Film ist kalt, dieser Film ist wie das Leben, dieser Film IST das Leben

Nicht umsonst hat der Film ganze drei Preise - darunter die Goldene Palme - in Cannes geholt.
Es würde mich nicht wundern - obwohl es mir im Prinzip egal ist - wenn er ebenfalls den Auslandsoscar gewinnen würde. Vor allem, weil das so ein Film ist auf den die Academy sich sowieso immer gerne einen runter holt.

Krank, kränker, Haneke

Zur Genialität des Films tragen zu guter Letzt natürlich auch die brillianten Darsteller bei, die allesamt spielen, als hätten sie sich ihr ganzes Leben lang nur auf diese Rolle vorbereitet. Vor allem bei den Kinderdarstellern hat es mich gewundert wie authentisch diese gewirkt haben. Ich weiß nicht mit welchen Tricks der Herr Haneke gearbeitet hat, aber sie scheinen 100%ig gewirkt zu haben.
Ganz großes deutsches Kino!


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

"Die Seele ist das Schiff, Vernunft das Steuer und Wahrheit der Hafen." (türk. Weisheit)

"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein." (Daniel J. Boorstin)

Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

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Lorraine
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Beitrag von Lorraine »

Von der Machart her schon verdammt gut, die Leistungen der Schauspieler ebenso, aber mir gefiel absolut nicht dass man letztlich nur ahnen kann woran die mysteriösen Dinge nun lagen...
und ich mag ungern im Dunkeln gelassen werden


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Detlef P.
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Beitrag von Detlef P. »

So unklar fand ich das hier gar nicht.
Dieser Film gilt sogar als erster Film, bei dem Haneke sich an eine Erklärung für die Gewalt in der Gesellschaft rangetastet hat.
Du solltest seine anderen Filme dann vielleicht besser nicht schauen. :wink:


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Beitrag von Johnny-le-Fou »

Ich bin großer Freund von Hanekes Filmen. Habe auch mitlerweile glaube ich alle von ihm gesehen und bis auf "Wolfszeit" haben sie mir alle sehr gut gefallen. Auch "Das weiße Band" hat mich wieder sehr begeistert. Meiner Meinung nach die beste deutsche Produktion seit langem. Dass Haneke ein Perfektionist ist merkt man diesem Film wahrlich an, inhaltlich, wie auch inszenatorisch. Ganz besonders hat mir gefallen, dass Haneke sich dafür entschieden hat den Film in schwarz-weiß zu drehen, was die düstere, trostlose Atmosphäre des Films noch einmal unterstreicht.
Ich persönlich finde es großartig, dass Haneke das Ende in seinen Filmen eigentlich immer relativ offen lässt, was dem Zuschauer die Möglichkeit lässt sich selber Gedanken zum Geschehenen zu machen. Hanekes zentrale Thematik ist, wie schon bereits gesagt, Gewalt und durch dieses "offen lassen" animiert er den Zuschauer zum reflektieren, teilweise geht er sogar soweit (wie in "Funny Games") und macht den Betrachter zum Voyeur. Oder zumindest bringt er ihn dazu sich die Frage zu stellen, wie voyeuristisch man in diesem Moment, in dem man sich dargestellte Gewalt ansieht eigentlich ist.
Ich würde auch sagen, dass wenn man mit dem Film nicht viel anfangen kann auch wahrscheinlich mit dem restlichen Werk des Regisseurs nichts anfangen können wird. Ich denke sogar er ist eine ganz gute Einführung in das Hanekesche Kino, zumindest im Gegensatz zu seinen sehr drastischen (dennoch grandiosen) frühen Filmen wie "Der siebente Kontinent" und "Benny's Video". Allen die jedoch Haneke großartig finden empfehle ich sehr den griechischen Film "Dogtooth", der nun überrraschender Weise sogar für den Auslands-Oscar nominiert ist. Da werden sie viele der in Hanekes Filmen behandelten Themen wiedererkennen.


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Detlef P.
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Beitrag von Detlef P. »

Manch einer könnte von der Länge und den extrem tristen Bildern abgeschreckt werden. Deshalb weiß ich nicht so genau, ob das echt ein guter Einstieg für Haneke wäre. Ich würde da wohl doch eher "Bennys Video" oder "Funny Games" empfehlen.

Wo hast Du denn "Dogtooth" gesehen? Der lief hier doch noch gar nicht?


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Beitrag von Johnny-le-Fou »

Ungefähr 5 Minuten zu Fuß von meiner Wohnung entfernt liegt die sehr schöne Kunstfilmvideothek Traumathek (www.traumathek.de). Die hatten die britische DVD-Version schon im Sortiment.


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Detlef P.
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Beitrag von Detlef P. »

Wow, echt ein Knaller!


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Beitrag von Johnny-le-Fou »

Ja, finde ich auch. Bin sehr froh, dass es diesen kleinen, feinen Laden gibt! Soweit ich weiß bieten die auch einen Fernleih-Service an, ist allerdings recht teuer glaub ich. Bin wirklich schon auf viele tolle Filme durch die Traumathek gestoßen.

Zu "Benny's Video" und "Funny Games" als Haneke-Einstiegsfilme würde ich sagen, dass sie vielleicht ein wenig zu verstörend für den Anfang sind. Ich würde eher noch "Caché" nennen. Der hat auch bisher allen, denen ich ihn empfohlen habe sehr gefallen, selbst meinen Eltern, die keinen schlechten Filmgeschmack haben, allerdings eher einen 'kommerziellen' würde ich sagen.


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Beitrag von Detlef P. »

Stimmt, da hast Du recht. "Cache" ist eigentlich auch ziemlich geeignet als Einstiegsfilm.


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Beitrag von Damien3 »

Ich fand Funny games stark, das weiße band tatsächlich langweilig :-)) fremdschäm...


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Beitrag von Detlef P. »

Macht ja nix. Hatte ich eigentlich auch so erwartet :mrgreen:
Kennst du denn noch andere Filme von Haneke?


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Re: Das weiße Band

Beitrag von Damien3 »

ääähm moment mal...ich habe diesen Film nochmal zur fernsehpremiere gesehen und bin dann doch irgendwie besser klebengeblieben.
Ich war nur sehr verstört wegen des Schlusses...


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Re: Das weiße Band

Beitrag von Detlef P. »

Wow, ist das Jahr schon wieder um?
Stark! Damit hätte ich jetzt gar nicht gerechnet. :aosjao:


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