Trust

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Detlef P.
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Trust

Beitrag von Detlef P. »

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USA, 2010
Regie: David Schwimmer
Darsteller: Liana Liberato, Clive Owen, Catherine Keener, Jason Clarke, Viola Davis

"Trust ist einer dieser Filme, bei denen man in seinem Kinosessel hin und her rutscht und eigentlich gar nicht hinsehen möchte. Trust ist außerdem einer dieser Filme, über die man noch Tage später nachdenkt, deren Gefühlswelt sich in die eigene bohrt und eine ganze Weile anhält. Trust ist der zweite Langfilm von David Schwimmer, den die Mehrheit wohl als Ross Geller aus der US- amerikanischen Fernsehserie Friends kennt.

Der Film beginnt mit einer Konstellation, die von Anfang an erahnen lässt, welche schreckliche Wendung der Film bald nimmt. Annie (Liana Liberato) ist eine hübsches, intelligentes Mädchen, die mitten in der Pubertät steckt. Wie alle Teenager heutzutage ist sie viel online unterwegs und trifft dort als "Volleygirl13" auf "Charlee", einen Jungen aus Kalifornien, der wie sie Volleyball spielt. Die beiden teilen online ihre Sorgen, Ängste, Wünsche und Hoffnungen. "Charlee" scheint der perfekte erste Freund zu sein und auch wenn sie sich noch nie getroffen haben, verliebt sich Annie in ihren Chatpartner. Dieser gesteht ihr jedoch bald, dass er doch etwas älter sei als sie, ein Schock, der noch viel schlimmer wird, als sich die beiden eines Tages wirklich Treffen. Denn "Charlee" ist ein erwachsener Mann, der Annie mit einem Trick in ein Hotelzimmer lockt und sich dort an ihr vergeht. Genau an diesem Punkt, den man schon lange vorher erahnen konnte, denkt man, man wüsste wie der Film weiter gehen wird. Das Verbrechen, die Sexualität, die Scham – all dies wird ausgeschlachtet werden wie in einem dieser schmalzig-schmierigen US- amerikanischen TV Filme, die sich mit Tragödien aus dem "wahren Leben" beschäftigen.

Doch weit gefehlt. Schwimmer überrascht mit einer mutigen Betrachtung, die nicht nur intelligent und warmherzig daherkommt, sondern das Thema Vergewaltigung mit unglaublichem Respekt und viel Raum für das Opfer ausstattet. Nicht eine Minute lang werden die Tragödie und ihr Potenzial für Pathos und Schaulust ausgebeutet. Viel mehr nimmt Trust eine Wendung in Richtung Annie und ihrer Eltern, deren Welten kollabieren. Während Annie die Vergewaltigung leugnet und verzweifelt versucht, sich das Geschehene damit zu erklären, dass "Charlee" ihr so seine Liebe zeigen wollte, versucht ihre Mutter (grandios subtil: Catherine Keener ) alles, um dem Mädchen Halt und Wärme zu geben und nicht an der Tatsache zu verzweifeln, dass ihrer Tochter Leid zugefügt wurde. Annies Vater (Clive Owen) hingegen kann sich und seiner Tochter nicht verzeihen. Sein Vertrauen zu ihr ist erschüttert. Doch noch schlimmer, sein Bild von sich als schützender Vater ist für immer zerbrochen. Paranoid und rachsüchtig macht er es sich zur Aufgabe den Mann zu finden, der seiner Tochter Leid angetan hat und vergisst dabei seiner Tochter auch ein Vater zu sein.

Trust arbeitet behutsam auf zwei Ebenen. In der ersten betrachtet er wertungsfrei und mit respektvollem Abstand Annies Gefühlswelt. Annie wird Ernst genommen und darf mehr sein als nur ein stummes Opfer. Vor allem ihr Kampf durch pubertäre Gefühlswelten, durch den Missbrauch und dessen Folgen, die sich auch auf die Schule und Freundschaften auswirken, wird begleitet und gibt der Figur damit die Macht zur Selbstbestimmung zurück. Auf der zweiten Ebene beschäftigt sich der Film mit den Eltern, die eigentlich alles richtig gemacht haben und deren Hände doch gebunden sind, denn Kinder lassen sich – vor allem in einem so hoch technisierten Zeitalter – einfach niemals ganz beschützen. So dreht Trust endlich einmal den Spieß um und kümmert sich, so wie es eigentlich sein sollte, nicht um den Täter und dessen Perspektive, sondern um die Opfer." (http://www.kino-zeit.de)

Letztens habe ich mir diesen Film angesehen und muss sagen, dass ich lange keinen Film mehr gesehen habe, bei dem ich so emotional gepackt hat und mich gleichzeitig noch lange nachdenken ließ. Unglaublich behutsam und sehr eindringlich nähert sich dieser Film allen Beteiligten, die an der erlebten Tragödie im Film teilhaben mussten.
Unglaublich, dass ausgerechnet ein Typ wie David Schwimmer das grandiose Drehbuch so absolut perfekt umsetzt, wie man es nur hätte umsetzen können. Kein bisschen reißerisch, dafür jedoch unheimlich ehrlich, aufrichtig und gradlinig. Hier wird nichts beschönigt und gleichzeitig nichts aus Sensationslust oder Selbstzweck gezeigt. Und das muss man bei so einem Thema erstmal hinbekommen.
Noch unglaublicher ist jedoch, dass auch noch eine 14-jährige Hauptdarstellerin mit extrem wenig Erfahrung Hollywood-Größen wie Clive Owen und Catherine Keener (die ebenfalls grandios sind) an die Wand spielt und so wahnsinnig gut in so einer schwierigen Rolle aufgeht und wahrhaftig glänzt.
Ich kannte sie bisher nicht, aber ich werde mir den Namen Liana Liberato definitiv merken müssen und hoffe, dass ich ihn in Zukunft öfter werde lesen dürfen.
Der Film selbst hat so viele großartige Momente, die eine Intensität entwickeln, wie man sie sich öfter in Filmen wünschen würde. Interessant und in gewisserweise lehrreich war der Film obendrein. Besonders die erste Begegnung mit der Internet-Bekanntschaft würde ich dazu zählen. Wie hier mit welchen Worten manipuliert wurde, lässt mich auch heute noch nahezu sprachlos zurück.
Nicht umsonst hat Roger Ebert den Film zu einem der besten Filme des Jahres 2010 erklärt.
Da würde ich ihm zu 100% zustimmen.


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

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Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

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Damien3
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Re: Trust

Beitrag von Damien3 »

Das Mädchen war auch schon in einer perfekten Dr. House Folge super!
Ich hab ihn vor längerem gesehen hatte ihn aber als "nett" abgebucht und nicht für würdig mich deswegen hinzusetzen und zu schreiben....


"Ich habe sie den ganzen Abend von dahinten beobachtet...sie sind ein sehr attrativer Mann"
"Warum gehen sie nicht in die Ecke zurück und schauen weiter?"
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Detlef P.
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Re: Trust

Beitrag von Detlef P. »

Da bin ich gerade bei Dir ziemlich überrascht.
Gerade Du gehst bei solchen Themen doch immer gleich total ab.
Also ich fand den schon ziemlich mutig, konsequent und vor allem interessant wie so eine Scheiße ablaufen kann.
Allein die Szene im Einkaufszentrum, wo man sieht wie der Perverse das Mädel manipuliert, welche ausgewählten Worte er zu ihr sagt, ist super und schon wert den Film mal zu sehen.
Dann ihr Zusammenbruch, als sie realisiert was ihr wirklich angetan wurde.
Und am Ende auch noch dieser völlig ergreifende Moment mit Clive Owen.
Ich fand den Film einfach absolut grandios und verstehe nicht, dass es Dir nicht genauso ergangen ist.


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