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Volands Amarcord

Verfasst: Fr 22. Apr 2005, 18:21
von Voland
Grundsätzlich beinhaltet der Film diesen scheinbar typisch fellinesken Humor, der mir auch in "La dolce Vita" schon aufgefallen ist. Diesmal jedoch noch intensiver. "La dolce Vita" ist ja nicht wirklich eine Art Komödie im Gegensatz zu diesem Film. Denn wie sagt der Vater, als der Onkel Theo im Baum sitzt: "Das ist doch zum Lachen - eine Komödie". Ich denke mal, dass Fellini hier doch ein wenig den Film beschrieben hat. Denn so offensichtlich ist es auch nicht wirklich, welchem Genre der Film zuzuordnen ist. Genau wie bei seinen anderen Werken, die ich kenne. Man kann nicht sagen, dass der ein Drama ist, der einen Komödie usw. Deshalb vermute ich, dass Fellini hier einen kleinen Seitenhieb auf das Schubladendenken gemacht hat.
Einen derartigen Humor habe ich in einem späteren Film wiedergefunden. Jedoch war der nicht aus Italien und nicht von Fellini. Der Film hieß "Die Noorderlinger". Bestimmte Szenen erinnerten mich an diesen Film. Vor allem der Typ mit dem Motorrad oder die Darstellung der Frauen. Man hat immer das Gefühl, dass der Film aus der Sicht eines Mannes gefilmt wurde. Diese lustvollen Kamerapositionen, die mich wiederum an Chaplin in seiner Autobiographie erinnern, wenn er erzählt, wie die Mädels auf den Partys waren. Fellini hatte wohl ein Faible für Frauen bzw. eine freche, frivole Darstellung von Frauen.
Bestimmte Szenen, die mir in Erinnerung geblieben sind wären hier zum Beispiel die Szene mit dem Familienessen. Der Opa geht raus und vollführt einen scheinbar rituellen, wohltuenden Furz. Aber auch der Vater hat eine würdige Rolle in dem Film. Meiner Meinung nach könnte Louis de Funes diesen Vater wunderbar spielen. Er gäbe eine Traumbesetzung ab.
Auch die Schule ist hier zu nennen. Egal, ob es jetzt die Prüfung des einen Jungen mit den Augenringen ist, wo durch ein langes Rohr aus Papier eine Pisslache unter seine Schuhe gemacht wurde oder ob es der kleine Junge im Griechisch-Unterricht ist, der sich vor dem Lehrer dumm stellt und die Situation ausnutzt, um ihm in seine Bücher, auf den Tisch und sogar ihn selbst anzuspucken.
Die Beichte ist ebenfalls ein Glanzstück des Films. Man fragt sich, inwiefern der Pfarrer das mitbekommen hat. Hat der Junge laut gedacht? Es hat zumindest den Anschein, denn der Pfarrer hat es dann ja sehr eilig gehabt fertig zu werden.
Auch die Beichte des Jungen mit den Augenringen hat etwas für sich. Diese 4 Jungs, die sich im Auto vergnügen und dabei Namen von Schauspielerinnen und sonstigen Frauen rufen um sich ein Bild vor die Augen zu setzen. Im Rythmus mit den Bewegungen des Autos flackern auch die Scheinwerfer und das führt zu einer der komischsten Szenen in dem Film.
Zu dem Opa möchte ich noch sagen, dass ich das Gefühl habe, dass er als Vorbild für den Opa in "Muttertag" herangezogen wurde. Das ist ein österreichischer Film und die Art des Opas in "Amarcord" erinnert sehr stark an die vom Opa in "Muttertag".
Nun gibt es noch einen netten Fehler, der aber nicht weiter schlimm ist. Solche kleinen Dinge finde ich sogar sehr schön in einem Film. Ein Fehler ist es ja eigentlich nicht wirklich, sondern eher mehr eine ungünstige Kameraposition. Denn als die Dorfbewohner am Wasser auf das Schiff aus Amerika warten, sieht man die kleinen Boote der Bewohner und wie sie auf einer Plane stehen, anstatt im Wasser zu schwimmen. Das sieht man jedoch nur einmal sehr deutlich und die anderen Male wirkt es dank einer filmerisch ausgezeichneten Darstellung wie wirkliches Wasser. Hier kann man wunderbar sehen, was die Beherrschung von Blickwinkeln, Beleuchtung und anderen filmtechnischen Dingen alles ausmacht. Man benötigt keine besonderen Spezialeffekte, die irgendjemand programmiert hat.
Ach ja, hätte ich doch beinahe den Onkel im Baum vergessen. Das ist eine wunderbare Szene. Nacheinander versuchen die Männer der Familie ihren Verwandten runterzuholen, doch er dreht ihnen eine Nase und wirft ihnen Steine auf den Kopf. Bis dann endlich die Schwester aus der Anstalt kommt und ihn von seinem "Anfall" erlöst. Man sieht das Gesicht der Schwester nicht und es scheint, als wäre sie so eine richtig grimmige Person, vor der man einfach Angst haben muss. Da dies aber nicht so gut dargestellt werden kann, verzichtet Fellini auf jeden Firlefanz und hüllt diese Person einfach in ein Geheimnis. Was der Anstaltsbedienstete danach sagt ist auch toll: "Ein paar Tage ist er normal und dann eben wieder nicht. Das ist doch bei uns allen so." Der genaue Wortlaut war das nicht, denn ich habe vermisst das Zitat bei den Notizen rauszuschreiben. Doch ich denke man weiß, was ich meine.
Die Musik muss wohl nicht extra erwähnt werden, schließlich hat ja Nino Rota dafür die Verantwortung. Ein Stück ist hier besonders hervorgestochen, nämlich das eine schwungvolle. Mein Gedächtnis lässt nach und ich weiß nicht mehr genau, in welcher Szene es vorkam. Es muss so ungefähr bei der Hälfte des Films gewesen sein. Es erinnert stark an eine Komposition von Khachaturian, die auch in "2001 - A Space Odyssey" und "Eins, zwei, drei" zu finden ist. Wobei sie in "Eins, zwei, drei" sehr russisch klingt und in "Amarcord" sehr italienisch. Es wäre durchaus denkbar, dass für beide Filme das ursprüngliche Stück etwas abgeändert wurde und der jeweiligen Situation angepasst wurde.
Das Ende scheint sehr mit dem von "8 1/2" konform zu sein. Die Menschenmasse, die etwas zu feiern hat. Es wird getanzt, geredet und getrunken.

Verfasst: Di 5. Jul 2005, 14:18
von Detlef P.
So, hab mir den Film jetzt auch endlich angesehen und fand ihn relativ gut.
Um ihn richtig gut zu finden hat allerdings noch der allerletzte Schliff gefehlt.
Einige Szenen wirkten sehr albern, überdreht und hektisch.
Andere wiederrum wirkten sehr poetisch und gerade zu beruhigend auf mich.
Intereressant, dass du diesen Film mit "Die Noorderlinger" vergleichst.
Vom Stil her passt das auch, allerdings hat mir hier der Humor nicht so zugesagt.
Bei "Amarcord" war er wesentlich wärmer und menschlicher als bei "Die Noorderlinger".