In die Sonne schauen
Verfasst: Di 30. Sep 2025, 13:50
D, 2025
Regie: Mascha Schilinski
Darsteller: Hanna Heckt, Lena Urzendowsky, Susanne Wuest, Luise Heyer, Laeni Geiseler, Lea Drinda, Florian Geißelmann, Gode Benedix, Bärbel Schwarz, Ninel Geiger, Greta Krämer, Zoë Baier
"Ein abgelegener Vierseitenhof in der Altmark, dessen Wände seit über einem Jahrhundert die Geschichten der dort lebenden Menschen tragen. Ein Hof, den einst von vier Frauen bewohnten, deren Leben über verschiedene Jahrzehnten miteinander verknüpft sind. Alma (Hanna Heckt), Erika (Lea Drinda), Angelika (Lena Urzendowsky) und Nelly (Zoë Baier) – jede von ihnen verbringt ihre Kindheit oder Jugend auf diesem Ort, doch während sie durch ihre eigene Zeit gehen, offenbaren sich ihnen Spuren aus der Vergangenheit. Verborgene Ängste, verdrängte Traumata und lange gehütete Geheimnisse treten zu Tage. Alma erfährt, dass sie nach ihrer verstorbenen Schwester benannt wurde und fürchtet, ihr Schicksal zu teilen. Erika gerät in den Bann ihres schwer verletzten Onkels und verliert sich in gefährlichen Fantasien. Angelika schwankt zwischen Lebenslust und Todessehnsucht, während sie in einem zerrissenen Familiensystem gefangen ist. Nelly wächst in scheinbarer Sicherheit auf, doch dunkle Träume und unbewusste Erinnerungen an vergangene Ereignisse verfolgen sie." (www.filmstarts.de)
Vor einigen Tagen habe ich mir den deutschen Fremdsprachen-Beitrag für die kommende Oscarverleihung angeschaut.
Er gewann bereits in Cannes den Preis der Jury und bekam großartige nationale und auch internationale Kritiken.
Daher war ich sehr gespannt auf dieses Kinoerlebnis.
Ich muss sagen, dass ich mich zu Beginn erst gefragt habe, was das Ganze eigentlich soll.
Man wird irgendwie in den Film reingeworfen, ohne große Erklärungen, und dann eine Zeit lang ziemlich ratlos zurückgelassen.
Mit der Zeit entfaltet sich jedoch ein sehr faszinierendes Generationenporträt, welches dennoch unglaublich sperrig erzählt wird und definitiv nicht für jeden geeignet ist.
Es gibt auch viele Online-Rezensionen von Kinobesuchern, die sich sehr enttäuscht zeigen und das kann ich sogar nachvollziehen.
Trotzdem fand ich den Film unglaublich interessant und für die Laufzeit von zweieinhalb Stunden auch ziemlich kurzweilig (wenn man mal von kleinen Längen absieht).
Die Geschichten werden nonlinear erzählt - und das sogar in zweierlei Hinsicht!
Einmal wird zwischen den vier Zeiten, in denen die Stories jeweils spielen, hin- und hergesprungen und zudem werden auch die vier Geschichten an sich nicht chronologisch erzählt, sodass man gegen Ende des Film Szenen sieht, die sich vor dem bereits Gezeigten ereignet haben.
Gerade das macht aber zum Teil die Faszination aus.
Handwerklich ist besonders die großartige Kameraarbeit hervorzuheben, die in den richtigen Momenten sehr gut mit Nähe und Weite spielt und entweder ein sehr beklemmendes oder sehr befreiendes Gefühl vermittelt.
Auch regietechnisch ist alles vom feinsten und ich fand es besonders gelungen, wie gut die einzelnen Epochen inszenatorisch getroffen und mit welchen kleinen Details diese zum Teil illustriert wurden.
Und natürlich sind zu guter letzt die sehr authentischen Schauspielerinnen und Schauspieler hervorzuheben, die größtenteils aus (zumindest mir) vollkommen unbekannten Gesichtern bestehen.
Sie sind es, die am Ende die Essenz des Films endgültig zum Leben erwecken und die Zuschauer in diese fremde und zugleich vertraut wirkende Welt entführen.
Seitdem ich den Film gesehen habe, habe ich viel über ihn nachgedacht, weil er einen irgendwie nicht mehr loslässt.
Es geht hier, meiner Ansicht nach, ganz klar um Traumata, die in all den gezeigten Epochen erlebt wurden und auch darum, dass diese Traumata nie wirklich verschwunden sind und bewusst oder auch unbewusst von einer Generation zur nächsten weitergegeben wurden.
Dadurch geht es letztendlich um ein kollektives Trauma, mit dem die deutsche Gesellschaft bis heute zu kämpfen hat.
Diesbezüglich fand ich die Erzählweise oft besonders perfide, da alles relativ ruhig und ohne viel Hektik erzählt wird.
Deshalb erwischen einen diese Szenen voller Grausamkeit auch jedes Mal so sehr auf kaltem Fuß, weil diese ebenfalls ganz beiläufig a`la "Ach, und übrigens, das hier ist dann auch noch passiert" präsentiert werden.
Aber gerade deshalb haben diese Momente so eine starke Intensität, weil man absolut nicht mit ihnen rechnet.
Ein großartiger Film, der jedoch auf Grund seiner Thematik und der erzählerischen Sperrigkeit einige Zuschauer abschrecken dürfte.