Tropa de Elite

In diesem Forum wird über Filme jeder Art diskutiert. Bitte prüfe vor Erstellung eines neuen Film-Threads, ob der Film bereits in der Liste der Filme A-Z vorhanden ist.

Moderatoren: Damien3, Detlef P., Murillo

Antworten
Benutzeravatar
Detlef P.
Der Auserwählte
Der Auserwählte
Beiträge: 6857
Registriert: Mo 11. Okt 2004, 10:37
Wohnort: Berlin

Tropa de Elite

Beitrag von Detlef P. »

Bild

Bra., 2007
Regie: José Padilha
Darsteller: Wagner Moura, André Ramiro, Caio Junqueira, Milhem Cortaz, Fernanda Machado

"Korrupte Polizisten gegen eine Armee von Drogendealern: Das brasilianische Copmovie "Tropa de Elite" wurde 2008 auf der Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Die Entscheidung der Jury war seinerzeit umstritten, denn manche Festivalgänger werteten den Film als blankes Selbstjustiz­kino. Man könnte es aber auch anders sehen: "Tropa de Elite" wirft einen Blick in die Hölle und lässt keine Zweifel daran, dass es aus diesem Schlund kein Entkommen gibt.

Hintergrund der Handlung ist ein realer Vorfall aus dem Jahr 1997. Damals wollte Papst Johannes Paul II. eine Nacht in einem Problemviertel von Rio de Janeiro verbringen, das daraufhin eigens von einem Spezialkommando der Polizei monatelang "gesäubert" wurde. Es kam zu gewalttätigen Übergriffen, Schießereien und Mord. Regisseur José Padilha verarbeitet diesen Konflikt zu einer

Art umgekehrter Version von "City of God": Die Kamera steht nicht aufseiten der Slumbewohner, sondern schildert die Eskalation des Favela-Kriegs konsequent aus der Sicht der Militärpolizisten.

Im Mittelpunkt steht der hartgesottene Captain Nascimento (Wagner Moura), der keiner Schießerei aus dem Weg geht. Die vielen Jahre des aussichtslosen Kampfs gegen die Drogenbarone haben ihn dennoch mürbe gemacht. Nascimento will sich zurückziehen, doch er braucht dafür einen geeigneten Nachfolger. Zwei junge Polizisten kommen infrage: der idealistische Matias (André Ramiro), der nebenbei die Gesetze studiert, und der draufgängerische Neto (Caio Junqueira). Die Entscheidung, wer das Erbe des Captain antreten soll, fällt im Verlauf eines ultrabrutalen, paramilitärischen Schulungsprogramms, das auf das Brechen des Individuums und den Drill zum bedingungslosen Gehorsam angelegt ist. Einer der beiden jungen Polizisten wird dabei alle Werte verraten, die ihm vorher wichtig und unersetzlich schienen.

"Tropa de Elite" ist ein starker, erbarmungslos realistischer Film. Er war ursprünglich als Dokumentation angelegt, was sich am detailreichen Faktenwissen bemerkbar macht. Dass die Erzählstimme aus dem Off einem Polizisten gehört und die Gewalttaten der Polizei dadurch indirekt gerechtfertigt werden, lässt allerdings maßgeblich einen gewissen ambivalenten Gesamteindruck entstehen. Übrigens: Die Säuberung der Polizei war 1997 erfolgreich. Der Heilige Vater verbrachte eine ruhige Nacht." (www.cinema.de)

Ein Wahnsinnsfilm!
So authentisch, dass er Dich fast umhaut. Absolut brilliante Darsteller, dokumentarische Bilder und regelrecht ätzende Konflikte. Man hat schon nach wenigen Minuten das Gefühl eher ein Kriegsgebiet als eine Favela in Rio zu sehen.
Besonders gut fand ich, dass der Film Dich mit der Frage zurückgelassen hat inwiefern die Spezialeinheit der Militärpolizei - die sogenannte BOPE - Gegengewalt an Gewalttätern üben darf um die Hintermänner in Fällen von Drogendelikten oder anderen Verbrechen zu finden. Und ich finde die Frage immer noch schwierig zu beantworten. Auch das die Korruption der normalen Polizei so detailgenau dargestellt wurde fand ich richtig gut und vor allem unheimlich mutig.
Insgesamt ein sehr mutiger und vor allem krasser Film, der mir ehrlich gesagt noch wesentlich besser gefallen hat als damals "City of God". Allerdings ist das jetzt auch schon ein paar Jahre her, dass ich den gesehen habe. Eigentlich müste ich den nochmal sehen für ein genaues Urteil.
"Tropa de Elite" war übrigens ganz überraschend im Jahr 2008 der Gewinner des Goldenen Bären auf der Berlinale. Hat mich damals ebenfalls überrascht.


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

"Die Seele ist das Schiff, Vernunft das Steuer und Wahrheit der Hafen." (türk. Weisheit)

"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein." (Daniel J. Boorstin)

Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

Las-Vegas-Ambiente :fuckU: (Insider)
Benutzeravatar
Murillo
die graue Eminenz
die graue Eminenz
Beiträge: 3520
Registriert: Sa 9. Okt 2004, 15:31
Wohnort: Budapest
Kontaktdaten:

Beitrag von Murillo »

Habe den Film nun auch gesehen und muss Dir auch größtenteils zustimmen. Ein wirklich genialer Film, der die politischen Verhältnisse in den Favelas und die Korruption der Polizei ziemlich offen thematisiert. Im direkten Vergleich mit 'City of God' würde ich mich nicht entscheiden können, welcher Film letzten Endes besser ist (das will schon was heißen, da ich 'City of God' nach wie vor als einen der bislang besten Filme dieses Jahrtausends betrachte). Aber verglichen mit dem hier wirkt 'City of God' fast schon wie weichgespültes Popcorn-Kino.
Besonders die inneren psychischen Konflikte des Hauptcharakters und die persönliche Wandlung seiner Schützlinge haben mir hier ganz besonders gefallen, so dass es schwer fällt, zu einem der Charaktere überhaupt Sympathien aufzubauen. Dies wäre aber auch absolut nicht im Sinne dieses Filmes.
Was ich auch sehr beeindruckend fand, war, dass fast ein Viertel des Filmes die durchaus brutale militärische Grundausbildung der BOPA illustriert. Dagegen sind selbst die Drill-Szenen aus 'Full Metal Jacket' ein Streichelzoobesuch.
Insgesamt ein absolut geniales Meisterwerk zeitgenössischer Lichtspielkunst.


"Wenn etwas klappt, ist es meistens nur Glück. Deshalb sollte man nie zuviel Ahnung von einer Sache haben" (alte japanische Programmiererweisheit)

Neulich im Waschsalon:
"Nachdem mir bereits "Network" sehr gut gefallen hat, gewinne ich langsam wirklich Respekt vor Sidney Lumet."
"Du unnützer nichtsbringender mittzwanziger Fliegenschiss bekommst "langsam" Respekt vor Sidney Lumet?"
Benutzeravatar
Detlef P.
Der Auserwählte
Der Auserwählte
Beiträge: 6857
Registriert: Mo 11. Okt 2004, 10:37
Wohnort: Berlin

Beitrag von Detlef P. »

Yiiiiiiiiiiiihaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!
Tja, ich kann auch Dir im Prinzip nur größtenteils zustimmen. Auch ich hatte den Gedanken, dass "City of God" im Vergleich schon fast wie ein lustiger Kinderfilm wirkt.
Ich fand allerdings nicht - zumindest wahrscheinlich nicht so stark wie Du - dass man keine Sympathie mit den Figuren aufbauen konnte.
Ich hatte ehrlich gesagt großes Mitgefühl mit Captain Nascimento, da Du gesehen hast wie fertig ihn die ganze Scheiße macht.
Gut, er müsste den Job ja nicht machen. Aber die Frage wäre, wie würde es dann da aussehen.
Auch Neto und Matias waren durchaus Sympathieträger, zumindest noch zu Beginn, da sie überhaupt nicht wussten wie ihnen geschah und sie einfach unvermittelt in so eine Scheiße geraten sind.
Erst gegen Ende wurde man ein bisschen entzaubert, da man gesehen hat welche heftigen Methoden sowohl im Kampf gegen die Drogenbosse, als auch bei der Ausbildung der BOPE verwendet wurden.
Aber im Prinzip fand ich - und das führt uns wieder zum Anfang zurück - die Figuren nicht besser oder schlechter als in einem Antikriegsfilm.
Aber die Schlussszene fand ich wirklich krass - im Sinne von extrem konsequent.


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

"Die Seele ist das Schiff, Vernunft das Steuer und Wahrheit der Hafen." (türk. Weisheit)

"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein." (Daniel J. Boorstin)

Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

Las-Vegas-Ambiente :fuckU: (Insider)
Benutzeravatar
Murillo
die graue Eminenz
die graue Eminenz
Beiträge: 3520
Registriert: Sa 9. Okt 2004, 15:31
Wohnort: Budapest
Kontaktdaten:

Beitrag von Murillo »

Die Charaktere sind zwar irgendwie sympathisch (Vorsicht Spoiler: vor allem Matias, bevor er in der zweiten Häfte des Filmes seine ideale zu Recht und Ordnung über den Haufen wirft und seine Vendetta-Nummer abzieht). Aber durch ihre Aktionen und Brutalität verspielen Sie diese Symapthie zusehends. Das finde ich aber auch nicht schlimm. Ist halt wie in einem Anti-Kriegsfilm. In 'Full Metal Jacket' ist es auch nicht so wichtig, ob man mit Vincent D'onofrio oder Mathew Modine sympathisiert. Im Zentrum steht die Handlung und wie die vorherschenden Systemabläufe dargestellt werden.
Wenn Captain Nascimento seinen Job aufgeben und nicht jeden Tag in die Favelas ziehen würde, um Drogendealer zu foltern und zu massakrieren, dann würde dort halt alles normal seinen Lauf nehmen. Die meisten Menschen interessiert das gar nicht.
Ich persönlich halte das brutale Vorgehen der BOPE-Truppen im Film für nicht gerechtfertigt, und kann wohl auch daher keine wirklichen Sympathien zu den Hauptcharakteren entwickeln. Ich kann aber nachvollziehen, wenn andere anders darüber denken.


"Wenn etwas klappt, ist es meistens nur Glück. Deshalb sollte man nie zuviel Ahnung von einer Sache haben" (alte japanische Programmiererweisheit)

Neulich im Waschsalon:
"Nachdem mir bereits "Network" sehr gut gefallen hat, gewinne ich langsam wirklich Respekt vor Sidney Lumet."
"Du unnützer nichtsbringender mittzwanziger Fliegenschiss bekommst "langsam" Respekt vor Sidney Lumet?"
Benutzeravatar
Detlef P.
Der Auserwählte
Der Auserwählte
Beiträge: 6857
Registriert: Mo 11. Okt 2004, 10:37
Wohnort: Berlin

Beitrag von Detlef P. »

Ich wollte damit nicht sagen, dass ich das Vorgehen der BOPE für gerechtfertigt halte. Ich finde es oft extrem grenzwertig, wenn nicht sogar über das Ziel hinausgeschossen.
Das wird aber auch schon durch den extrem genialen Off-Kommentar von Nascimento deutlich, der hier sogar sein eigenes Handeln sehr kritisch hinterfragt.
Aber trotz alledem fand ich die Figuren nicht durchweg unsympathisch. Ich sehe in gewisser Weise beide Seiten in ihnen - sowohl die guten als auch die schlechten.
Das wollte ich damit nur sagen.


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

"Die Seele ist das Schiff, Vernunft das Steuer und Wahrheit der Hafen." (türk. Weisheit)

"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein." (Daniel J. Boorstin)

Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

Las-Vegas-Ambiente :fuckU: (Insider)
Antworten