Antichrist

In diesem Forum wird über Filme jeder Art diskutiert. Bitte prüfe vor Erstellung eines neuen Film-Threads, ob der Film bereits in der Liste der Filme A-Z vorhanden ist.

Moderatoren: Damien3, Detlef P., Murillo

Antworten
Benutzeravatar
Detlef P.
Der Auserwählte
Der Auserwählte
Beiträge: 6835
Registriert: Mo 11. Okt 2004, 10:37
Wohnort: Berlin

Antichrist

Beitrag von Detlef P. »

Bild

DK/D/F/It/S/Pl, 2009
Regie: Lars von Trier
Darsteller: Willem Dafoe, Charlotte Gainsbourg

"Während seine Eltern Sex unter der Dusche haben, stirbt ein kleiner Junge einen tragischen Unfalltod. Daraufhin zieht sich das trauernde Paar in seine einsame Berghütte, die es „Eden“ nennt, zurück. Die Frau (Charlotte Gainsbourg) versinkt in Schuld und Verzweiflung und entwickelt eine schwere Depression. Der Mann (Willem Dafoe) – von Beruf Psychiater – setzt ihre Medikamente ab und glaubt, dass er sie in der Natur, die sie so sehr zu fürchten scheint, besser therapieren kann.

Aber bald muss der Mann erkennen, dass seine professionellen Fragen nach dem Sinn wirken wie ein Bohren am entzündeten Zahn: Seine Frau verändert
sich zusehends, quält ihn und verstümmelt sich schließlich selbst. Die beiden stürzen in der Abgeschiedenheit der feindlichen Wildnis in einen bizarren Rausch aus Erotik und Gewalt.

Hintergrund: Der Film wurde zu großen Teilen in den Studios in Köln-Hürth gedreht, die Hütte im Wald stand im Rhein-Sieg-Kreis. Der dänische Regisseur Lars von Trier („Dogville“) wurde in Cannes 2009 für eine Goldene Palme nominiert, obwohl viele Zuschauer die Weltpremiere verstört verließen. Charlotte Gainsbourg (38), die in ihrer Darstellung einer von Angst und Schuldgefühlen zerfressenen Mutter bis zum Äußersten geht, erhielt die Silberne Palme als beste Hauptdarstellerin.

Fazit: Lars von Trier spielt in seinem zehnten Kinofilm meisterhaft mit der Erwartung des Zuschauers und führt jede Sehkonvention in die Irre: Wer glaubt, „nur“ einen Psychothriller zu sehen, wird von quälenden, fast pornografischen und blutigen Bildern verstört. Wer hofft, in einen klassischen Horrorfilm zu gehen, muss sich mit psychologischen Abgründen auseinandersetzen, die kein Happy End zulassen. Für das subtile Grauen sorgt vor allem die Kunst von Kameramann Anthony Dod Mantle. Der Engländer gewann einen Oscar 2009 für „Slumdog Millionär“ und den Europäischen Filmpreis 2003 für „28 Days Later“. Hier fängt er Natur, Schönheit und Grauen in surrealen Bildern ein, denen man sich einfach nicht zu entziehen vermag. Dieser Film ist extrem harter Stoff, der viele Zuschauer an ihre Grenzen bringen und für Diskussionen sorgen wird." (www.tvdigital.de)

Dieser Film wird bereits jetzt als einer der kontroversesten und umstrittensten Filme der letzten Jahre bezeichnet.
Lars von Trier soll während der Dreharbeiten Depressionen und sogar starke Selbstmordabsichten gehabt haben und sich mit diesem Film quasi selbst therapiert haben. Wenn das stimmt wundert es mich zumindest nicht.
In Cannes waren die Leute bei der Premiere aufgebracht. Manche verließen das Kino, ein Zuschauer fiel sogar in Ohnmacht.
Trotzdem bekam Charlotte Gainsbourg (absolut verdient) den Darstellerinnenpreis verliehen. Sie, aber auch Willem Dafoe spielen grandios.
Zusätzlich zeichnete die ökonomische Jury von Cannes den Film noch mit einem speziellen "Anti-Award" aus. Für sein frauenfeindliches Weltbild.
Dem kann ich ehrlich gesagt nicht ganz zustimmen, doch davon später mehr.

Ich habe den Film nun gestern Abend im Kino gesehen. Und es gibt ja tatsächlich nicht viele Filme, die mich echt fertig gemacht haben oder die ich wirklich extrem krank fand. Die Anzahl dieser Filme kann ich tatsächlich an einer Hand abzählen.
Ich kann wohl auch heute noch von mir behaupten bei Filmen ziemlich resistent gegen brutale Bilder oder kranke Psycho-Geschichten zu sein. Normalerweise haut mich nichts so leicht um.
Und gestern wunderte ich mich tatsächlich über eine sehr lange Zeit warum dieser Film denn nun ab 18 freigegeben wurde. Gegen Ende wusste ich dann warum.
Und um jetzt endlich mal explizit drauf zu sprechen zu kommen: Der Film ist definitiv nichts für schwache Nerven, oder Leute die bestimmte Gewaltvorgänge wie Genitalverstümmelungen nicht sehen können.

Nicht das ihr mich jetzt falsch versteht, die visuelle Gewalt im Film ist nicht vorherrschend. Eigentlich gibt es nur zwei Szenen mit wirklich krasser Gewalt. Aber diese Szenen, besonders die Zweite, haben es wirklich in sich.
Gut, natürlich waren die Bilder jetzt nicht schlimmer als die schlimmsten Bilder, die man sich vorher im Kopf ausgemalt hat, aber jedem sollte man diese Bilder wirklich nicht zumuten.

Aber ich möchte jetzt auch nicht zu stark vom Film selbst ablenken. Denn der Film war ein durchaus interessantes und faszinierendes Gleichnis - zumindest meiner Meinung nach. Deswegen verstehe ich die Vorwürfe wegen Frauenfeindlichkeit auch nicht. Aber das wurde Lars von Trier ja nicht das erste Mal vorgeworfen.
Viele Kritiker sprechen davon, dass der Film symbolisch überfrachtet wäre und eine Erklärung überhaupt nicht zulasse usw.
Zugegeben habe ich den Epilog auch nicht so recht verstanden. Der ist irgendwie auch ganz anders abgelaufen als ich ihn mir vorgestellt hatte.
Aber den Rest des Films habe ich für mich so verstanden, wie eine umgekehrte Erschaffung der Welt. Oder auch eine Apokalypse. Aber keine mit den apokalyptischen Reitern mit Feuer vom Himmel, sondern eine in der der Garten Eden in sich selbst zerfällt und die Entstehung des Menschen quasi rückgängig gemacht wird.

Ich habe den Film wieder mal mit einem Freund gesehen und ich muss ihm im Prinzip zustimmen, dass die überbordernden Gewaltszenen den Film ein bisschen kaputt gemacht haben. Ohne diese wäre er wirklich genial. Aber wer weiß warum der Herr von Trier diese Szenen gebraucht hat. Vielleicht wollte er einfach allen mal beweisen, dass er tricktechnisch echt was drauf hat. Denn ich habe mich wirklich gefragt wie die das gemacht haben. Das sieht so verdammt echt aus.

Atmospärisch dicht, geniale Kamerabilder, Darsteller in absoluter Höchstform und eine interessante Parabel auf das Ende der Menschheit.
Ein wenig kaputt gemacht durch extrem krasse Gewaltdarstellung.

Ach ja, der Film ist übrigens kein Horrorfilm, wie überall betitelt, aber das war für mich sowieso klar. Höchstens ein Kunsthorrorfilm. Aber eher noch ein Beziehungs-Psycho-Endzeit-Horror-Drama-Kammerspiel mit sprechenden Tieren. :mrgreen:

Sehenswert für Leute, die von Trier sowieso mögen. Hasser oder zarte Seelen sollten nicht mal mit dem Gedanken spielen ihn zu sehen.


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

"Die Seele ist das Schiff, Vernunft das Steuer und Wahrheit der Hafen." (türk. Weisheit)

"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein." (Daniel J. Boorstin)

Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

Las-Vegas-Ambiente :fuckU: (Insider)
Antworten