Lola rennt

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Detlef P.
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Lola rennt

Beitrag von Detlef P. »

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D, 1998
Regie: Tom Tykwer
Darsteller: Franka Potente, Moritz Bleibtreu, Herbert Knaup, Nina Petri, Joachim Król, Achim Rohde

"Lola rennt!
Sie rempelt die Frau mit dem Kinderwagen an "Hey, mach doch die Augen auf!² , sprintet durch eine Gruppe von Nonnen und gerät fast unter die Räder eines ausparkenden Autos. Lola läßt sich durch nichts aufhalten. Es geht um Leben oder Tod! Sie muß in 20 Minuten 100.000 Mark auftreiben, sonst ist ihr Freund ein toter Mann. Und die Uhr tickt...

Wer einen Film von Tom Tykwer ("Winterschläfer") beschreiben will, gleitet oft unfreiwillig ins Soziologendeutsch ab. Das hört sich dann so an: In den Filmen des Regie-Exzentrikers verschmelzen psychologische Charakterstudien und hintergründige Darstellungen des banalen Alltagslebens zu realistischen Zustandsbeschreibungen einer jungen Generation zwischen Aufbruch und Ziellosigkeit. Der Fluchtpunkt ist immer die Liebe, aber die ist schwer zu finden. Uff.

Wo bleibt denn da der Spaßfaktor? Mit "Lola rennt" wechselt der Regisseur, der das Horrorkino liebt, von der morbiden auf die lebensbejahende Seite (siehe Porträt S. 72). Der Film strotzt vor Vitalität und Dynamik, ist leidenschaftlicher und lustvoller als jede andere einheimische Produktion der letzten zehn Jahre und schenkt den Zuschauern das coolste Happy-End, das aus vier Wörtern bestehen kann. Auf den schwebenden Mix zwischen Spaß und Ernst bereiten zwei ungleiche Zitate vor, die der Romanze wider Zeit und Raum vorangestellt sind. Einer der beiden Sinnsprüche stammt von Sepp Herberger, der als Fußball-Nationaltrainer die WM-Elf von 1954 zum Sieg führte: "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel." Passend zum Kicker-Jargon nimmt der Schauspieler Armin Rohde ("Kleine Haie") gleich darauf den Anstoß vor, ein sensationeller Kameratrick eröffnet die Partie, und Hertha-Fan Tykwer zaubert wie ein Kino-Maradona. Herbergers Nullsatz steht in kühner Kombination neben einem Zitat des humanistischen Literaten T. S. Eliot: "Wir lassen nie vom Suchen ab, und doch, am Ende allen unseres Suchens sind wir am Ausgangspunkt zurück und werden diesen Ort zum ersten Mal erfassen." So geht es auch der Heldin dieses Films.

Lola rennt!!

Beim zweiten Durchlauf rempelt sie die Frau mit dem Kinderwagen heftiger an "Mensch! Paß auf, du Kackschlampe!" sprintet durch eine Gruppe von Nonnen, aber diesmal trägt eine der Gottesfrauen eine Sonnenbrille und trampelt in vollem Lauf über die Kühlerhaube des ausparkenden Autos.

Zurück auf Anfang, alles bleibt anders: "Lola rennt" ist ein Film, der seine Geschichte dreimal erzählt, mit unterschiedlichem Verlauf und wechselndem Ausgang. Sie spielt von zwanzig vor zwölf bis zwölf Uhr mittags irgendwo im Berliner Straßengewirr. Lola (Franka Potente) erhält einen panischen Anruf ihres Freundes Manni (Moritz Bleibtreu), der für einen Gangster (Heino Ferch) arbeitet. Durch einen dummen Zufall hat Manni eine Tüte mit 100.000 Mark verloren, die er in 20 Minuten seinem Chef aushändigen soll. Verzweifelt ruft er bei Lola an und fragt sie, was er machen soll. Lola hat zwar noch keinen Plan, rennt aber trotzdem sofort los, um ihren Freund zu retten.

Wenn im Kino die Uhr zurückgedreht wird, grüßt manchmal das Murmeltier, aber spannend wird es erst, wenn der Film selbst Schicksal spielt. "Lola rennt" funktioniert nach dem Prinzip des Schmetterlings, der in Asien mit den Flügeln schlägt und in Florida einen Tornado auslöst. Vom Bankdirektor (Herbert Knaup) bis zum Penner (Joachim Król) leben die Figuren des Films in den engen Grenzen ihrer vermeintlich vorbestimmten Biographien Tykwer zeigt sie konsequenterweise in der fadenscheinigen Realität verwackelter, grobkörniger Videoaufnahmen. Das richtige Kino, die 35mm-Bilder, bleiben Lola und Manni vorbehalten. Und das Kino war schon immer der Ort, an dem Wunder zu Wirklichkeit werden.

Lola rennt!!!

Aber diesmal rempelt sie die Frau mit dem Kinderwagen nicht an, läuft an den Nonnen vorbei und kracht auf die Kühlerhaube des ausparkenden Autos. Andere Zufälle, ein anderes Leben. Und noch mal Soziologendeutsch: Indem Tykwer die Grenzen von Raum und Zeit aufhebt, jongliert er gleichzeitig souverän mit den technischen Möglichkeiten des Mediums Film, die er fast spielerisch zu einem psychedelischen Bildertrip aus Liebe und Abenteuer komponiert. Denn hinter dem semi-philosophischen Konstrukt und der surrealen Phantastik des radikalen Spaßguerilla-Films pocht das schwarzromantische Herz einer ebenso modernen wie bedingungslosen Love-Story: Romeo und Julia in Ostberlin." (www.cinema.de)

Ein Spitzenfilm aus Deutschland, der es locker mit der Hollywood-Konkurrenz aufnehmen kann.
Selten war deutsches Kino besser.


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

"Die Seele ist das Schiff, Vernunft das Steuer und Wahrheit der Hafen." (türk. Weisheit)

"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein." (Daniel J. Boorstin)

Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

Las-Vegas-Ambiente :fuckU: (Insider)
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dr. gnir sinep
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Beitrag von dr. gnir sinep »

pfui... zwar nicht typisch deutsch und auch ne schöne grundidee, aber die drei enden sind mir echt ein wenig zu unspektakulär...


der fernseher ist mein fenster zur welt. ;)
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