Sophiiiie!

In diesem Forum wird über Filme jeder Art diskutiert. Bitte prüfe vor Erstellung eines neuen Film-Threads, ob der Film bereits in der Liste der Filme A-Z vorhanden ist.

Moderatoren: Damien3, Detlef P., Murillo

Antworten
Benutzeravatar
Detlef P.
Der Auserwählte
Der Auserwählte
Beiträge: 6857
Registriert: Mo 11. Okt 2004, 10:37
Wohnort: Berlin

Sophiiiie!

Beitrag von Detlef P. »

Bild

D, 2002
Regie: Michael Hofmann
Darsteller: Katharina Schüttler, Alexander Beyer, Ercan Durmaz, Martin Brambach, Robert Stadlober, Josef Ostendorf

"Eine ganze Nacht lang zieht Sophie durch die Großstadt auf der Suche nach sich selbst. Sie ist zwanzig und lebt im Ausnahmezustand. Keine Romantik, sondern Rigorosität bestimmt ihr Sein. Wer es knallhart mag, ist bei diesem schonungslosen Selbsterfahrungstrip gut aufgehoben.

Junge Frauen träumen von Liebe. Nicht immer. Jedenfalls fällt Sophie unsanft auf den Boden der Realität, als sie merkt, dass sie schwanger ist und nicht weiss von wem, jedenfalls nicht von ihrem netten Freund. Die 20-Jährige rastet aus und rast mit seinem Motorrad los, möglichst weit weg von Diskussionen und Rechtfertigungen oder - noch schlimmer - Verständnis. Um die Entscheidung voranzutreiben setzt sie sich einen Abtreibungstermin. Bis dahin hat sie noch eine Nacht, um sich darüber Klarheit zu verschaffen, was sie wirklich will. Michael Hofmann, der mit seinem Regiedebüt "Der Strand von Trouville" eine melancholische Love-Story zeichnete, geht hier ohne Samthandschuhe an die Sache heran. Er lässt seine Protagonistin bei dieser Odyssee der Verzweiflung übelste Erfahrungen mit Männern machen. In einer Proll-Kneipe provoziert das Mädchen einen Betrunkenen, landet fast auf dem Strich und zerrt einen hübschen Jüngling aufs Laken - eigentlich das einzige liebenswerte männliche Wesen, denn der klägliche Rest hat nur das eine im Kopf, einen Blow Job - möglichst sofort und überall und mit Gewalt. Auch wenn Sophie im letzten Moment dann doch immer noch die Kurve kriegt, ist sie nach dieser Nacht physisch und psychisch am Ende, viele kleine Tode gestorben. Warum sollte sie noch Angst vor dem großen Tod haben?

Hofmann wechselt zwischen Action-Szenen und langen Plansequenzen, schickt seine emotional zerrissene Hauptfigur durch die mit Verrückten bevölkerte Vorhölle. Katharina Schüttler ("Das weisse Rauschen", "Die innere Sicherheit") gehört zu den deutschen upcoming Talenten, spielt mit Energie und Radikalität, Härte und Zerbrechlichkeit und wurde dafür verdient mit dem neu geschaffenen "Förderpreis Deutscher Film" in der Kategorie Schauspiel beim Filmfest München belohnt, Hofmann erhielt den Preis in der Kategorie Regie. "Sophiiiie"" ist wie ein markerschütternder Schrei, der unbequem nachhallt und dessen Wucht man nicht entkommt, trotz allen Sträubens." (http://www.kino.de)

Es ist schon einige Monate her, dass ich diesen Film gesehen habe. Zur damaligen Zeit habe ich überraschend viele deutsche Produktionen gesehen. Was sehr interessant war, dass die Qualität hierbei von absolut überragend ("Das Jahr der ersten Küsse", "Die Wolke") bis hin zu grottenlangweilig und überflüssig ("Was nützt die Liebe in Gedanken", "Der Totmacher") variieren konnte.
"Sophiiiie!" war jedoch der mit Abstand beste deutsche Film, den ich zur damaligen Zeit gesehen habe.
Ich weiß noch wie heute welche Gefühle ich hatte, als ich den Film anmachte und ich das allererste Bild im Fernseher sah. Dieses Bild hat sich bei mir für immer und ewig eingebrannt, da es mich sofort mit solch einer Wonne erfüllte, dass ich es gar nicht beschreiben kann.
Ich sah sofort, dass das einer dieser "Verwackelte-Handkamerafilme" ist, bei denen Damien sofort nach drei Sekunden ausmachen würde. Bei mir war die Reaktion jedoch genau umgekehrt. Und ich weiß gar nicht genau warum. Denn ich bin ja nicht gerade ein totaler Dogma-Jünger oder Verehrer.
Aber vielleicht habe ich hier schon gespürt, dass dieser Stil, bei diesem Film einfach ins Schwarze treffen würde. Und so war es auch.
Aber abgesehen von seinem Stil lebt der Film zum einen extrem stark von Katharina Schüttler, die ich ja bereits in "Wahrheit oder Pflicht" einfach grandios fand. Hier übertrifft sie sich mit einer beinahe unglaublichen Blut-Schweiß-und-Tränen-Performance jedoch selbst. Es ist schlicht atemberaubend was sie hier leistet und eigentlich sollte man den Film schon alleine deswegen gucken.
Zum anderen lebt der Film von seiner extrem krassen Sicht auf die Welt und den wahnsinnig radikalen, harten und gefährlichen Situationen in die sich Sophie begibt. Einige Dinge sind so heftig und schonungslos, dass ich behaupten kann diese in noch keinem anderen Film gesehen zu haben.
Ob sie nun mit geschlossenen Augen und bei voller Geschwindigkeit mit dem Motorrad in den Abendverkehr rast oder in einer dreckigen Spelunke irgendein assoziales Pack provoziert. Und das sind noch die harmloseren Dinge, die hier gezeigt werden.
Der Film nimmt einfach eine Peitsche und schlägt sie dem Zuschauer ohne Vorwarnung in die Fresse. Und das fand ich so genial.
Man rechnet überhaupt nicht mit so einer Tour de Force des Terrors, aber man bekommt sie.
Und der Film ist hier an vielen Stellen wirklich so radikal und heftig und geht wirklich über Grenzen und distanziert sich dadurch glücklicherweise von dem üblichen deutschen Problemfilm-Geseiere. Und das einfach nur durch Dinge, die wahrscheinlich fast zu real und echt sind um sie in einem Film zu zeigen.
Und das Ende setzt fast nochmal einen drauf. Wirklich grausam und scheiß brutal.

Wow, ich erinnere mich jetzt wieder ganz deutlich an meine Gefühle, die ich damals hatte...
Meine Fresse, was für ein absolut ultimatives Meisterwerk des neuen deutschen Kinos!


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

"Die Seele ist das Schiff, Vernunft das Steuer und Wahrheit der Hafen." (türk. Weisheit)

"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein." (Daniel J. Boorstin)

Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

Las-Vegas-Ambiente :fuckU: (Insider)
Antworten