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Reprise

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Detlef P.
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Beitrag von Detlef P. »

[img]http://www.new-video.de/pic06/reprise06.jpg[/img]

N, 2006
Regie: Joachim Trier
Darsteller: Anders Danielsen Lie, Espen Klouman-Høiner, Viktoria Winge

"Erik und Phillip hören laute Punkmusik, feiern alkoholselige Partys. Sie führen tiefschürfende Gespräche über ihre Lieblingsautoren und schielen jedem hübschen Mädchen hinterher. Eines Tages wollen sie berühmte Schriftsteller sein. Sie sind jung, die Welt steht ihnen offen, aber sie halten Selbstmord für eine ernsthafte Alternative. Darüber muss man nicht schockiert sein, Anfälle von Schwermut sind in Norwegen völlig normal.Einen ganzen verspielten Film lang sieht man zwei Mittzwanzigern und ihren Freunden beim Erwachsenwerden zu.

Jean-Luc Godard, Regie-Ikone der französischen Nouvelle Vague ("Außer Atem"), hat mal gesagt: "Ein guter Film hat einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende. Nur nicht zwingend in dieser Reihenfolge." Der norwegische Regisseur Joachim Trier ließ sich davon inspirieren. Sein Spielfilmdebüt ist nicht allzu chronologisch erzählt - und hat sogar zwei Anfänge.

Zunächst lernen sich Erik und Phillip am Briefkasten kennen, in den sie jeweils ihr erstes Manuskript stecken. Der Verlag ist begeistert, nach der Veröffentlichung avancieren beide zu neuen Stars der norwegischen Kulturszene.

Doch das erscheint irgendwie zu glatt, weshalb alles wieder auf Anfang (siehe Filmtitel) geht. In der folgenden Version wird Eriks Manuskript vom Verlag abgeschmettert, während man Phillip als neues Talent feiert. Für den Jungstar nur ein kurzes Vergnügen. Ein paar Szenen später holt Erik seinen Freund von einem sechsmonatigen Aufenthalt in der Psychiatrie ab.

Was ist geschehen? Wurde Phillip der plötzliche Ruhm zu viel? Oder verhält sich alles ganz anders? Immer wieder überrascht der Film mit Szenen, durch die man die Story in einem neuen Licht betrachten kann.

Mit Sehgewohnheiten, die durch Hollywood-Filme geprägt sind, ist es nicht einfach, sich auf die sprunghaft-assoziative Erzählweise des Films einzustellen. Gelingt es jedoch, sich vom Geschehen auf der Leinwand einfach treiben zu lassen, erlebt man ein modernes Stück Cinéma Vérité, das unbeschwert und traurig, amüsant und melancholisch zugleich ist. Dazu gehören dokumentarisch anmutende Szenen aus der Osloer Jugendszene ebenso wie poetische Bilder, etwa beim Paris-Ausflug von Phillip und seiner Freundin.

Karlsbad, Toronto, London, Sundance, Rotterdam, Istanbul, Lecce: Bei Filmfestivals in aller Welt ist "Auf Anfang" gefeiert und mit Preisen überhäuft worden. Joachim Trier gilt als neues Regietalent mit unverwechselbarem Erzählstil.

Zugegeben, ein widerspenstiger Stil. Aber kein langweiliger." (www.cinema.de)

Ehrlich gesagt hatte ich früher immer eine gewisse Abneigung gegen das norwegische Kino.
Dänemark und Schweden, wo ja die "großen" Leute und die großen Filme herkommen waren da schon gleich ein ganz anderes Kaliber. Naja, und aus Finnland kenne ich eigentlich nur Filme von Kaurismäki, die mir auch nicht wirklich zusagen (allerdings ist es unfair eine Filmkultur nur anhand eines Filmemachers zu beurteilen).
Norwegen fand ich lange Zeit extrem langweilig bis ich dann mal Filme wie "Kitchen Stories", "Next Door" oder "Elling" gesehen habe - nicht zu vergessen den großartigen "Die Farbe der Milch".
Tja, aber als ich mir diesen Film hier ansah wäre meine Abneigung beinahe wieder hochgekommen.
Das ist so ein verfickter Wichtigtuerfilm, wo sich alle drei Minuten einer drauf runter geholt wird wie geistreich und intellektuell man doch ist.
Der Anfang ist noch das beste am Film - und der ist im Prinzip aus einer großartigen Szene von "Amelie" geklaut.
Ich hasse es über alle Maßen, wenn irgendein Arschloch von Autorenfilmer damit rumprotzen muss, dass er Namen wie Heidegger kennt und irgendwelche anderen, im Prinzip sinnigen, Popkulturzitate in seinen Film einbaut ohne näher darauf einzugehen.
Popkultur im Film ist eigentlich richtig geil - wenn man weiß wie man sie einsetzt. Joachim Trier wusste es anscheinend nicht.
Ich glaube so ungefähr wie ich nach dem Film fühlen sich auch Leute die sich Popsongs von Tocotronic oder allgemeiner von der Hamburger Schule anhören und damit nicht klar kommen (ich persönlich finde die Hamburger Schule klasse). Und genauso ging es mir hier. Man hat das Gefühl die Leute suhlen sich in Selbstmitleid und in ihrer eigenen Scheiße und es macht ihnen auch noch Spaß.
Der Film bietet nämlich über diese dummen, wichtigtuerischen Anspielungen hinaus keinerlei Indentifikationspotential mit irgendeiner Figur und die Problemchen, die durchaus in einem vernünftigen Kontext relevant wären, wirken wie aus einem schlechten Groschenroman in dem die Charaktere nicht in der Lage sind ihre ureigene Unfähigkeit zu überwinden.
Also kurz gesagt ist es ein Film nachdem man sich fragt was der ganze Mist eigentlich sollte. Schade, dass der Herr Trier hier nicht auf Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" angespielt hat. Dann wäre dem Zuschauer immerhin ein kleines bisschen Identifikation mit seinem Meisterwerk an Langeweile gegeben.


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