Barfuß durch Hiroshima

Hadashi no Gen

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Murillo
die graue Eminenz
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Barfuß durch Hiroshima

Beitrag von Murillo »

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JAP 1983, R: Mori Masaki

"Gen, sechs Jahre alt, erlebt den 2. Weltkrieg in Hiroshima. Obwohl das Leben für ihn und seinen kleinen Bruder alles andere als einfach ist, schaffen sie es trotzdem noch, einfach Kinder zu bleiben. Mit dem Abwurf der ersten Atombombe ist dieses Leben vorbei. Gen muss zuschauen, wie ein Teil seiner Familie in den Trümmern des eigenen Hauses qualvoll ums Leben kommt. Es liegt jetzt an ihm, den Rest der Familie zu versorgen, in einer unwirklichen Hölle, die einst Hiroshima hieß."
(moviepilot.de)
Ich bin eher zufällig auf diesen Film gestoßen.
Da es die komplette Filmfassung auf japanisch mit englischen Untertiteln auf Youtube gibt, habe ich ihn mir dann auch spontan angesehen uns es ist mir glatt im Halse stecken geblieben, wie brutal, rasant und konsequent dieser Film zur Sache geht.
Man stelle sich vor, dass hier das Schicksal der Einwohner von Hiroshima vor und nach dem Atombombenabwurf von Hiroshima im Detail beschrieben und dargestellt wird, in Anime-Form, und aus Sicht eines 6 Jahre alten Jungen.
Dies beinhaltet das komplette Programm einer atomaren Katastrophe, inklusive vieler Tote, medizinischer Maßnahmen, Strahlenkrankheiten, Hunger und Verderben (wie es z.B. auch in Filmen, wie "The Day After" oder "Threads" dargestellt wurde). Nur dass es sich hier um einen Anime-Film handelt.

Der Film scheut dabei vor keinerlei Konsequenzen und stellt das Leid in seinem vollen Umfang dar.
Dabei, und das hat mich bei diesem Film wirklich bewegt, gelingt es dem Film, stets eine positive Botschaft zu bewahren.
Trotz all der Unannehmlichkeiten, die die Charaktere erleben müssen, schaffen sie es, das beste aus jeder Situation zu machen und nie den Mut am Leben zu verlieren.
Obwohl dieser Film extrem deprimierend und verstörend ist, schafft er es, eine sehr positive Grundbotschaft zu vermitteln, die einen, trotz all des Grauens, dazu ermutigt mit einem Lächeln aus dem Film hinauszugehen.

Ich bin kein großer Fan von Anime-Filmen, doch trotzdem ist meine Meinung, dass dieser hier alle anderen aus dem Genre (ja selbst all die großartigen von Hayao Miasako(!)) übertrifft. Es gibt andere Anime-Filme, die an das Niveau vielleicht halbwegs heranreichen, so wie "Grave of the Fireflies", aber "Hadashi no Gen" übertrifft dies ohne Probleme.
Ja, der Film spielt sogar in der selben Liga, wie andere großartige japanische Filme, wie "Rashomon" oder "Ikiru". So!

Vielleicht übertreibe ich ein bisschen, aber dieser Film hat mich extrem bewegt.
Ich kann ihn nur weiterempfehlen. Allerdings nicht vor dem Frühstück.


"Wenn etwas klappt, ist es meistens nur Glück. Deshalb sollte man nie zuviel Ahnung von einer Sache haben" (alte japanische Programmiererweisheit)

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"Nachdem mir bereits "Network" sehr gut gefallen hat, gewinne ich langsam wirklich Respekt vor Sidney Lumet."
"Du unnützer nichtsbringender mittzwanziger Fliegenschiss bekommst "langsam" Respekt vor Sidney Lumet?"
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Detlef P.
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Re: Barfuß durch Hiroshima

Beitrag von Detlef P. »

Eine Einordnung im Anime-Kosmos ist bei diesem Film tatsächlich gar nicht so einfach.
Nachdem ich ihn jetzt gesehen habe, muss ich gestehen, dass es wenige Anime-Filme gibt, die mich so sehr gepackt haben wie "Barfuß durch Hiroshima".
Der Zeichenstil ist hier - im Gegensatz zu den großen Ghibli-Produktionen - etwas unbeholfener und erinnert eher an ältere Fernsehanimes als an die großen Produktionen eines Miyazaki.
Aber - um jetzt mal zum direkten Vergleich zu kommen - der Film schafft es trotzdem einige der Ghibli-Filme tatsächlich in den Schatten zu stellen.
An die ganz großen Meisterwerke kommt er meiner Ansicht nach zwar nicht ran, aber er spielt auf jeden all sehr weit oben mit.

Ich fand es ebenfalls gut, dass man hier auch unter den furchtbarsten Bedingungen versucht positiv zu bleiben, obwohl das eigentlich fast gar nicht möglich ist. Aber trotzdem gelingt es.
Negativ kann ich dem Film eigentlich nur anmerken, dass er an ein paar Stellen etwas arg melodramatisch und überdramatisiert daher kommt.
Das ist beispielsweise "Die letzten Glühwürmchen" niemals passiert, der immer sehr ruhig - fast schon poetisch - das Schicksal der Hauptfiguren verfolgt hat.
Deswegen halte ich diesen auch immer noch für den besseren Film als "Barfuß durch Hiroshima".
Wobei beide Filme sehr gut das Grauen des Krieges und der Atombomben-Attacken illustrieren.


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