Das Schweigen

Tystnaden

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Voland
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Das Schweigen

Beitrag von Voland »

Das Schweigen
Tystnaden
Schweden, 1963

[img]http://i.tvspielfilm.de/iimages/5/6/jar-10956-358x240-e.jpg[/img]

Regisseur: Ingmar Bergman
Kamera: Sven Nykvist
Musik: Johann Sebastian Bach

Darsteller: Ingrid Thulin (Ester), Gunnel Lindblom (Anna), Jörgen Lindström (Johan), Hakan Jahnberg (der junge Kellner), Birger Malmsten (der Barkellner)

Zwei Schwestern und der kleine Sohn einer der beiden Frauen kommen in eine fremde Stadt, deren Bewohner eine unverständliche Sprache sprechen und die offenbar von kriegerischen Auseinandersetzungen heimgesucht wurde. In einem labyrinthischen Hotel isoliert, sinken alle in lähmende Kommunikationslosigkeit. Während ihre Schwester einer tödlichen Krankheit erliegt, gibt sich die Mutter des Jungen sexuellen Exzessen hin. Ingmar Bergman inszeniert ein Inferno der Angst, Verwirrung und Hilflosigkeit, wobei gerade das Fehlen lautstarker Katastrophen dem Film eine Aura eisiger Kälte und suggestiver Bedrohung verleiht. Die Schockwirkung beruht weniger auf spekulativen Details als vielmehr auf der stilistischen Geschlossenheit und Strenge des Films, die allgemein auf Existenznot und universelle Entfremdung zu verweisen scheint. Das in einem gottverlassenen, artifiziellen Niemandsland angesiedelte Werk Bergmans ist eine Parabel, die in ihrer Symbolfülle Raum für unterschiedliche Deutungen gibt. Aufgrund seiner Anfang der 60er Jahre provozierenden Darstellung von Sexualität wurde der Film in einigen europäischen Ländern beschlagnahmt bzw. zensiert.

Quellen:
[url]http://tvspielfilm.msn.de/[/url]
[url]http://www.filmdienst.de[/url]


Userkritik (Voland)


FrankBooth
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Beitrag von FrankBooth »

War "Das Schweigen" nicht sogar mein erster Bergman? Oder war es "Persona"? Einer von beiden sicherlich, beide gleichermaßen ungeeignet für den Einstieg ..

Seltsamerweise war ich unheimlich beeindruckt, auch damals, als ich noch absolut nicht bergman-bewandert war. Wollte mehr sehen, heute zählt er zu meinen absoluten Lieblingen des Regiestuhls.

"Das Schweigen" schafft eine distanzierte, unbequeme Atmosphäre, geprägt von Gefühlskälte, Kommunikationsschwäche und Ignoranz. Schwerer, harter Stoff, doch es lohnt sich. Nach "Das siebente Siegel" mein zweitliebster Film von Bergman, ungefähr auf einer Ebene mit "Wilde Erdbeeren". Karges, düsteres Weltbild eines großen Visionärs. Anspruchsvoll, provokant und reich an verrätselter Symbolik.

Und während der Szenen im Hotel, in denen Annas Sohn Johan seine Entdeckungsreisen macht, fühlte ich mich oft an Kubrick´s "Shining" erinnert .. die langen Gänge, die Kamerafahrten ..


"Es gibt keine Grenzen. Nicht für den Gedanken, nicht für die Gefühle. Die Angst setzt die Grenzen." Ingmar Bergman

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Voland
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Beitrag von Voland »

Ich glaube "Persona" war Dein erster Bergman, wenn ich mich richtig erinnere. Mir persönlich fällt es schwer den Film zu beurteilen. Ich mag mehr die erzählerischen Filme mit Atmosphäre. Also "Wilde Erdbeeren" oder "Die Stunde des Wolfes". Natürlich auch "Das siebente Siegel". Ich kann nicht oft genug von der wohl schönsten Sterbeszene der Filmgeschichte schwärmen.


FrankBooth
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Beitrag von FrankBooth »

Recht hast du, "Persona" war mein erster Bergman - ich erinnere mich, damals erzählte ich dir beinahe euphorisch von meinem ersten Bergman-Erlebnis, ja, es war unglaublich, was völlig neues. Schon allein die Anfangssequenz - soweit ich mich erinnere, eine recht lose Abfolge von Bildern, ich weiß noch, dass ich selten so fasziniert war, da ich so etwas vorher noch nie sah.

Oh, ich mag sowohl Bergmans Kunst, zu erzählen, als auch seine mehr als eigenwillige Werke, wie eben "Persona". Und was meinst du mit 'erzählerische Filme mit Atmosphäre'? Auch "Persona" hatte Atmosphäre, etwas unterkühlt und distanziert vielleicht, aber doch atmosphärisch .. bin von beiden Inszenierungsformen, von beiden Stilen gleichermaßen angetan. Bergman´s 'erzählerischster Film' ist aber wohl "Einen Sommer lang" .. seltsamerweise halte ich gerade ihn für den schwächsten. Kennst du ihn? Schöner Film, ja, aber für Bergman-Verhältnisse doch recht .. geradlinig .. ich möchte ganz provokant sagen: recht seicht ..

Ach, die Todesszene aus "Das siebente Siegel" - irgendwo wurde mal nach den besten Filmtoden gefragt, ich nannte auch Bergman´s siebentes Siegel. Das wurde nie übertroffen ..


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Voland
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Beitrag von Voland »

"Persona", wenn ich mich so zurückerinnere, dann schäme ich mich beinahe dafür, den Film derart niedergemacht zu haben. Zumindest hatte das glaube ich den Anschein. Aber so war es nicht gemeint. Diese kühlen Bergmans sind wie Godards, Fassbinder oder Kaurismäkies - man braucht die richtige Stimmung, um diese Kühle durchzustehen.

Atmosphäre haben sie alle - ich wollte es nur sagen, damit klar ist, dass auch die anderen Bergman-Filme so etwas besitzen. Meine Betonung sollte aber auf dem erzählerischen Aspekt liegen.

Den von Dir genannten kenne ich leider nicht. Bergman hatte aber im Groben gesagt zwei Arten von Filmen. Die Spielfilme, die mitunter auch sehr ans Theater angelehnt sind und jene, die teilweise wie Experimentalfilme wirken. Sie spielen mit der Angst, und das tun sie gezielt. Das sind genau jene Filme, in denen Bergman seine negativen Erinnerungen verarbeitet. Im Gegenteil jetzt zu Filmen wie "Fanny und Alexander".

Um aber noch einmal kurz auf "Persona" zu sprechen zu kommen:
Der Beginn ist grandios. Ein Film, vollkommen in High Key fotografiert. Ich liebe diese technische Eigenschaft von "Persona". Es gibt keinen besseren Kameramann als Sven Nykvist. Den gesamten Film zieht sich das durch - gekrönt durch die Verschmelzung der beiden Charaktere.
Eigentlich bin ich begeistert von dem Film, dennoch würde ich ihn nicht zu meinen liebsten zählen. Weil er eben nur in besonderen Momenten wirkt - ein Lieblingsfilm muss immer passen. Das ist jetzt keine Abwertung.

Technisch gesehen halte ich "Persona" für sein Meisterstück. Wobei ich aber "Schreie und Flüstern" noch nicht kenne. Da fällt mir ein - den hätte ich sogar. Vielleicht eine Sichtung wert? Der soll nämlich technisch brilliant sein.

Bergmans Autobiographie ist Dir ein Begriff? Ich weiß, Du liest nicht so viel, aber vielleicht solltest Du Dich überwinden. Wenn ich nachdenke, dann halte ich es beinahe für die beste Autobiographie in Sachen Film überhaupt (von denen, die ich kenne). Sehr beeindruckend, noch besser als seine Filme.
Damien würde wohl ausflippen beim Lesen - Bergman ist all das, was er verteufelt ;-)
Ich kann zu dem Buch jedoch nur sagen, dass ich mir Bergman nie so vorgestellt habe. Der Mensch ist durchzogen mit Pein und versteckt es sehr gut. Womöglich sind Filme wie "Das Schweigen" und "Persona" sogar seine intimsten.


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