Poor Things
Verfasst: Di 23. Jan 2024, 16:06
IRL/UK/USA, 2023
Regie: Yorgos Lanthimos
Darsteller: Emma Stone, Mark Ruffalo, Willem Dafoe, Ramy Youssef, Christopher Abbott, Suzy Bemba, Jerrod Carmichael, Kathryn Hunter, Hanna Schygulla, Vicki Pepperdine, Margaret Qualley
"Eine junge Frau namens Bella Baxter (Emma Stone) wird von dem unkonventionellen Wissenschaftler Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe) zurück ins Leben gebracht. Unter Führung des brillanten Wissenschaftlers begibt sich Bella auf eine Reise zu sich selbst, immer auf der Suche nach der Lebenserfahrung, die ihr bisher fehlt. Sie trifft dabei unter anderem auf Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo), einen Anwalt, der ihr die Welt jenseits der Wissenschaft zeigt und mit ihr ein wildes Abenteuer über mehrere Kontinente hinweg erlebt. Aber auch Baxters Student Max McCandless (Ramy Youssef) Leben ändern sich plötzlich, als er auf Bella trifft und von ihr regelrecht mit- und aus seinem behüteten Leben herausgerissen wird. Bella entdeckt Stück für Stück ihre Leidenschaft für soziale Gerechtigkeit und Befreiung und kann sich so auch ihrer eigenen Zwänge entledigen, Vorurteile hinter sich lassen und sich immer und immer mehr ausleben." (www.filmstarts.de)
Bisher hatte Lanthimos ja schon eine recht beeindruckende Filmographie.
Allerdings glaube ich, dass er hiermit sein Meisterstück abgeliefert hat.
So wie Kubrick mit "2001" oder Lynch mit "Mulholland Drive".
Und ich denke, mit dieser Meinung bin ich nicht allein.
Es handelt sich hierbei um nicht weniger als ein unfassbares Gesamtkunstwerk, was man nur schwer in Worte fassen kann.
Ich muss gestehen, dass der Anfang ziemlich sperrig ist. Selbst für mich als Hardcore-Arthaus-Independentfilm-Kunstfuzzi waren die ersten 20 Minuten eine harte Nuss.
Davon aber bitte nicht abschrecken lassen, denn danach entfaltet der Film seine volle Wirkung.
Emma Stone gibt hier eine Jahrhundertvorstellung sondergleichen ab. Wie sie die langsame aber sichere Entwicklung ihres Charakters darstellt, ist einfach ganz großes Kino und eine unglaubliche Leistung.
Zusätzlich gibt es so viele wunderbare Nebenfiguren, die ebenfalls exzellent gespielt werden, dass man gar nicht alle aufzählen kann.
Ganz besonders möchte ich aber Mark Ruffalo und Willem Dafoe herausstellen.
Wie Ruffalo es schafft, trotz des karikaturhaften Ansatzes, seine Rolle als echten, fühlenden Menschen aus Fleisch und Blut zu zeigen, ist absolut grandios.
Und Dafoe als irres, kaltblütig erscheinendes aber doch fühlendes "Monster" ist sowieso eine Klasse für sich.
Dann diese Inszenierung!
Die Optik - inklusive Ausstattung, Kostüme und Make Up - ist einfach überbordernd.
Einzelne Bilder sind so atemberaubend schön, dass man sie sich eingerahmt an die Wand hängen könnte.
Besonders die Momente, in denen der Himmel in Pastellfarben gemalt erscheint, können einen wirklich komplett verzaubern.
Zu guter letzt bleibt dann noch die Handlung.
Sie ist clever, hintersinnig, an einigen Stellen überraschend witzig und vor allem bricht sie mit Konventionen - sowohl innerhalb der Handlung, als auch außerhalb.
Es geht darum, dem mentalen Wachsen eines Kindes beizuwohnen, das im Körper einer bereits erwachsenen Frau steckt.
Und es ist interessant zu betrachten, welche Konventionen dem Menschen auferlegt sind, wenn man sich in der Gesellschaft und in der Welt an sich zurecht finden will.
All das bietet am Ende natürlich unzählige Ansätze, um über den Sinn des Lebens an sich zu philosophieren.
Mache ich mich selber durch eine hedonistische Lebensweise glücklich oder alle anderen, in dem ich mich in das Korsett des Zeitgeistes zwängen lasse?
Darüber hinaus werden selbstverständlich die doppelmoralischen Vorstellungen aufgeführt, die Frauen seit Jahrhunderten und eigentlich bis heute umtreiben.
Viel Stoff zum Nachdenken also!
Genau deshalb ist "Poor Things" jetzt schon einer der besten Filme des Jahres, auch wenn dieses gerade erst begonnen hat.
Und egal wie viele Oscars von den heute ganz frisch veröffentlichten 11 Nominierungen er am Ende einheimsen kann... den Goldenen Löwen von Venedig hat er schon längst. Und den kann ihm auch keiner mehr wegnehmen