
Frankreich/Bundesrepublik Deutschland/Italien/Kanada 1989
Regie: Robert Enrico, Richard, T. Heffron
Darsteller: Klaus Maria Brandauer, Jane Seymour, François Cluzet, Jean-François Balmer, Andrzej Seweryn, Peter Ustinov, Sam Neill, Christopher Lee, Claudia Cardinale
Handlung: Versailles, 1789: Der französische König Ludwig XVI (Jean-François Balmer) hat ein kleines Problem. Denn auf Grund fataler außenpolitischer Entscheidungen seiner Regierungszeit und des hedonistischen Lebenswandels seiner Frau (Jane Seymour) steht der Staat am finanziellen Abgrund. Um das Problem zu lösen, beruft er auf Anraten seines Finanzministers eine Ständeversammlung ein: Jedoch muss er bald darauf mit Erschrecken feststellen, dass sich dies als grandioses Eigentor erweist. Denn die Vertreter des von der Bevölkerung zahlenmäßig überlegenen, aber rechtlich unterprivilegierten Dritten Standes wollen sich nicht weiter herumkommandieren lassen und fordern weitreichende gesellschaftliche Reformen. Der junge Idealist Maximilien Robespierre (Andrzej Seweryn) und seine Freunde Desmoulins (François Cluzet) und Danton (Klaus Maria Brandauer) sehen ihre Chance gekommen, das alte Regime grundsätzlich in Frage zu stellen. Schon bald rollen die ersten Köpfe und selbige werden vom gewalttätigen Mob triumphierend auf Pfählen durch die blutüberströmten Straßen von Paris getragen. Die Anführer der Revolution schaffen es nicht wirklich, die Situation zu beruhigen und so geht es schon bald nur noch darum, sich entweder zu behaupten oder enthauptet zu werden. Wird es Robespierre gelingen, seine humanistischen Ideale zu behalten und die Revolution zu einem friedlichen Ende zu führen...?
Dieser Film ist mir zufällig über den Weg gelaufen, als ich auf einer einschlägigen Videostreamingplatform unterwegs war. Vermutlich hatte der Algorithmus mir diesen angeboten, da ich zuvor nach Kuchenrezepten gesucht hatte und allgemein auf gewalttätige Filme stehe. Da dachte ich mir also: Geil, ein fast 6-stündiger Historienfilm zur französischen Revolution. Schaust Du halt mal rein, was da so abgeht. Als ich dann jedoch damit anfing, war ich dermaßen gefesselt, dass ich den Film kaum noch abschalten konnte und mir an einigen Stellen die Kinnlade metaphorisch so sehr heruntergefallen ist, wie dies – weniger metaphorisch – einem der Hauptprotagonisten vor dessen Exekution widerfuhr. Und als ich nach mehreren Stunden ultra-brutaler Horrorshow endlich mit dem Film fertig war, kam ich zu dieser nüchternen Erkenntnis:
„die Französische Revolution“ gesehen habe.Murillo hat geschrieben: ↑Mi 22. Aug 2007, 00:08 Habt Ihr euch schonmal vorgestellt, wie sich ein Kind aus der Dritten Welt fühlen muss, das jahrelang gegen den alltäglichen Hungertod zu kämpfen hatte und dann plötzlich die Gelegenheit bekommt, in einem französischen Luxusrestaurant zu dinieren?
Multipliziert dieses utopische Gefühl mal Tausend... und Ihr seid noch nicht einmal nah dran.
Nein, diese metaphorische Umschreibung reicht bei weitem nicht aus, um das in Worte zu fassen, was ich empfinde, nachdem ich
Dazu möchte ich allerdings auch noch anmerken, dass mir die historischen Ereignisse durchaus geläufig sind und der Film sehr linear und nah an den Tatsachen agiert, wodurch ich von der Handlung noch nicht einmal besonders überrascht wurde.
Ich muss sogar sagen, dass der Film, trotz der teilweise etwas drastischen Gewaltdarstellung nicht wirklich mit dem Rumgemetzel übertreibt. Denn wer die Geschichte kennt, weiß, dass gerade in der Zeit des „großen Terrors“ sehr viele Verbrechen begangen wurden, bei denen insgesamt Zehntausende Menschen auf bestialischste Weise getötet wurde (Stichwort Massenertränkungen ganzer Dorfgemeinschaften auf speziell dafür hergerichteten Ertränkungs-Booten). Darüber hinaus gab es auch in der Realität ein paar tragisch-groteske Momente, die man wunderbar in diesem Film hätte verwerten können: die Sache mit der Kinnlade zum Beispiel. Oder wie einer der Henker einen guillotinierten Kopf in die Menge hält, dabei vom Podest herunterfällt und stirbt. Das alles blendet der Film ein bisschen aus und fokussiert sich auf die wesentlichen historischen Ereignisse und deren prominenteste Opfer.
Und dies ist meiner Ansicht nach eine der ganz großen Errungenschaften dieses Filmes: die wichtigsten Aspekte kurz und bündig, mit Konzentration auf das Wesentliche und ohne große Übertreibung in einen knapp 6-stündigen Film zu pressen, welcher dabei in keiner Sekunde langweilt. Welcher Historienfilm schafft das schon?
Im Großen und Ganzen kann man jedoch auch sagen, dass der Film von der aufwendigen und imposanten Umsetzung inklusive Masken und Szenebild (bis zu diesem Zeitpunkt war dies die teuerste französische Filmproduktion aller Zeiten), sowie der großartigen Schauspielerleistungen lebt.
Hier möchte ich einige Darsteller besonders hervorheben.
Peter Ustinov: Spielt den alten, etwas notgeilen und korrupten Sack Mirabeau absolut bravourös. Nachdem mir bereits „Logan’s Run“ sehr gefallen hat, gewinne ich langsam Respekt vor diesem Peter Ustinov!
Jean-François Balmer: ich denke, man hätte keinen besseren Schauspieler finden können, um diese vermutlich in Realität sehr behäbige und etwas arrogante, dabei aber irgendwie auch sympathische Person so glaubhaft darzustellen.
Christopher Lee: Mr Dracula Saruman ist absolut genial in der Rolle des Scharfrichters Charles Henri Sanson und dessen Sohn Henri Sanson (diese historische Unschärfe sei den Machern des Filmes verziehen).
Das absolute schauspielerische Monster in diesem Film ist jedoch Andrzej Seweryn, welcher den charakterlichen Wandel von Robespierre im Laufe der Revolution in unglaublicher Tiefe darstellt, so dass es mich eigentlich wundert, dass man ihn dafür nicht mit allen Schauspielpreisen der Welt ausgezeichnet hat.
Insgesamt wundert es mich darüber hinaus auch sehr, dass der Film im Allgemeinen eher unbekannt ist, was auch die niedrige Anzahl der Bewertungen auf IMDB widerspiegelt. Es wurde auch an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, wie schwer es ist, an diesem Film dranzukommen (komischerweise bin ich mir ziemlich sicher, dass ich Ausschnitte des Filmes früher schonmal gesehen hatte, möglicherweise sogar im Geschichtsunterricht). Daher bin ich insbesondere froh darüber, dass ich diesen Film in voller Länge auf dieser Videostreamingplattform gefunden habe, auch wenn die historisch relativierenden „Historic Notes“ des Hochladenden, obgleich teilweise amüsant, über die ganze Länge des Filmes etwas nerven.
Eigentlich ist dies die Art von Film, die sich wunderbar für einen Reboot auf Netflix oder so anbieten würde. Falls Netflix diesen Film hier im Jahr 2024 bringen würde, würde das Publikum aber vermutlich auf Grund der Tatsache, dass kaum einer der französischen Protagonisten von einem Franzosen gespielt wird auf die Barrikaden gehen und das Netflix-Büro in Paris bestürmen.
Fazit: absolut großartiger Historienfilm, den ich nur wärmstens weiterempfehlen kann.