The Cremaster Cycle - Matthew Barney

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Nikkita
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The Cremaster Cycle - Matthew Barney

Beitrag von Nikkita »

The Cremaster Cycle

Vorsicht Kunst!

Spätestens seit Luis Bunuels Ein andalusischer Hund hat sich die bildende Kunst das Medium Film erobert, doch abgesehen von Andy Warhols Werken blieben die Beziehungen zwischen der Kunst und dem Kino merkwürdig distanziert. Es scheint so, als sei die längst überflüssige Unterscheidung in E- und U-Kultur, die auf vielfältige Weise unterlaufen zu sein schien, ausgerechnet im Film mehr denn je Bestand habe.

Mit dem Cremaster-Zyklus des Künstlers Matthew Barney, dessen Herstellung annähernd zehn Jahre umfasste, gelingt die Annäherung zwischen den beiden Medien auf spektakuläre, nie gesehene Weise, ein Werk, das wahrhaft als einer der Meilensteine des Avantgarde-Kinos der letzten Jahre gelten kann.

"Nur die perverse Phantasie kann uns noch retten", so befindet die Kunstkritikerin Nancy Spector im Ausstellungskatalog zu Barneys Zyklus, und dies ist wahrlich die beste Haltung, um sich dem ebenso kryptischen wie faszinierenden Werk Barneys zu nähern. Insgesamt bilden die fünf Teile des Zyklus eine Art Schöpfungsmythos, in dem Barney viel zusammenbringt, was normalerweise kaum miteinander vereinbar ist: Die Geschichte des berühmten Motorradrennens auf der Isle of Man sowie Busby Berkleys Choreographien mit Meilensteinen der amerikanischen Geschichte wie der Errichtung des Chrysler-Buildings, keltische Schöpfungsmythen mit Elementen des Westerns und der wahren Geschichte des Mörders Gary Gilmore und dessen behaupteter Verwandtschaft zum großen Magier Houdini. Nebenbei bevölkern bizarre, hermaphroditische Mischwesen die Szenerie, perverse Gottheiten, platinblonde Pin-ups, ungarische Diven, Freimaurer und andere Absonderlichkeiten. Und immer wieder taucht der Künstler selbst auf, in vielfacher Gestalt, ein polymorph-perverser Master of Ceremony, narzistisch, phantasievoll, ein postmoderner Jäger und Sammler von Geschichten und Geschichte. Und ebenso vielfältig sind auch die cineastischen Bezugsgrößen, die sich in diesem Zyklus ausmachen lassen: Jean Cocteau, Stanley Kubrick, David Cronenberg gehören ebenso dazu wie Luchino Visconti oder Busby Berkeley.

Matthew Barney, im "bürgerlichen" Leben mit der isländischen Sängerin Björk verheiratet, war vor seiner Karriere als bildender Künstler ein erfolgreicher Footballspieler, und so ist es auch kein Wunder, dass ein Muskel, eben jener Cremaster dem ganzen Zyklus seinen Namen gab – der so genannte Hodenheber-Muskel, der je nach Temperatur oder Erregungszustand seinen Dienst verrichtet. Cremaster ist die filmische Reise in ein ganz eigen- und einzigartiges Universum, dem man sich sowohl auf intellektuelle als auch auf rein emotionale Weise nähern kann, ein Trip in die befremdliche Welt des Matthew Barney.

Wie eine Kunstausstellung tourt der Cremaster Cycle, der erstmals in ganzer Länge zu sehen ist, durch verschiedene deutsche Städte, um dort jeweils sechs Wochen zu laufen.
(http://www.kino-zeit.de/filme/artikel/3 ... cycle.html)


Bin eigentlich mehr per Zufall auf diesen Artikel im Netz gestoßen und war sofort interessiert. Es scheint auf jeden Fall ein außergewöhnlicher Film zu sein. Wollte wissen ob jemand von euch schon einen von den fünf Teilen des Cremaster-Cycle gesehen hat? Falls ja, ist dieses Werk wirklich so grandios oder ist die überschwengliche Kritik übertrieben? :?????:


"Film ist die Übermittlung von Gedankeninhalten durch Bilderreihen, die zur Projektierung bestimmt sind."
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Nikkita
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Beitrag von Nikkita »

So habe mir dieses (angebliche) Meisterwerk gestern mit Sarah in Hamburg angeguckt...und weiß noch nicht so genau was ich davon halten soll. Es ist auf jeden Fall etwas ganz anderes, was ganz eigenes...
Mit nichts zu vergleichen, was ich bis jetzt gesehen habe. In der Presse wird der Film bzw der Zyklus häugig mit "Ein andalusischer Hund" verglichen. Das mag durchaus zutreffen, leider hab ich Bunuels Werk immer noch nicht gesehen. ( weiß einer vielleicht wo ich den her bekomme?)

Es war schon ein Kinomarathon, den wir da mitgemacht haben...400 min Filmmaterial wollten geguckt werden... :wink:
Bild
Erstmal zum Inhalt


CREMASTER 1 | 1995, 40min
Drehbuch und Regie: Matthew Barney
Produktion: Barbara Gladstone und Matthew Barney
Kamera: Peter Strietmann
Original-Musik: Jonathan Bepler
Still-Photographie: Michael James O’Brien
Darsteller: Marti Domination
Bild
Im Inneren von zwei Goodyear-Zeppelinen, die über einem Stadion schweben, ordnet eine platinblonde Frau grüne und blaue Weintrauben zu geometrischen Mustern an. Diese Figuren werden auf dem blauen Rasen des Stadions von Tänzerinnen nachgebildet, die direkt einer Musicalkomödie von Busby Berkeley zu entstammen scheinen.

CREMASTER 2 | 1999, 1h 16min
Drehbuch und Regie: Matthew Barney
Produktion: Barbara Gladstone und Matthew Barney
Kamera: Peter Strietmann
Original-Musik: Jonathan Bepler
Associate Producer: Chelsea Romersa
Set Design: Matthew D. Ryle
Still-Photographie: Michael James O’Brien und Chris Winget
Darsteller: Norman Mailer und Matthew Barney

Zwei scheinbar unzusammenhängende Geschichten überlagern einander. Erstere ist durch Norman Mailers Roman „Gnadenlos“ („The Executioner’s Song“) inspiriert, der seinerseits auf einer wahren Begebenheit basiert: Es geht um den Fall Gary Gilmore (gespielt von Matthew Barney), ein Sohn einer Mormonenfamilie aus Utah, der einen jungen Tankstellenbesitzer ermordet hat und zum Tode verurteilt wurde. Die Hinrichtung selbst erhält im Film die Gestalt eines ritualisierten Rodeos auf einem Salzfeld. Der zweite Handlungsstrang, dem der Columbia-Gletscher in Kanada als Kulisse dient, kreist um Harry Houdini (Norman Mailer), einen Zauberkünstler ungarischer Herkunft, der besonders für seine Verwandlungskünste berühmt war. Das bindende Glied zwischen den beiden Geschichten ist genealogischer Natur: In der Tat soll nämlich Harry Houdini der Großvater von Gary Gilmore gewesen sein.

CREMASTER 3 | 2002, 3h 02min
Drehbuch und Regie: Matthew Barney
Produktion: Barbara Gladstone und Matthew Barney
Kamera: Peter Strietmann
Original-Musik: Jonathan Bepler
Associate Producer: Chelsea Romersa
Licht und Still-Photographie: Chris Winget
Darsteller: Richard Serra, Aimee Mullins und Matthew Barney
Bild
Ehrgeiz und Macht stehen im Zentrum von CREMASTER 3. Die Haupthandlung spielt im New Yorker Chrysler Building während dessen Errichtung in den Jahren 1929-1930. Matthew Barney verbindet die Architektur des Gebäudes mit den Übergangsriten der Freimaurer, welche auf einer hierarchischen Rangordnung beruhen. Diese gliedert sich im Wesentlichen in drei große Etappen (Lehrling / Geselle / Meister), die jeweils mit einer Reihe von Prüfungen einhergehen. Nur mit eisernem Willen ist es möglich, von der untersten Stufe bis zum höchsten Rang aufzusteigen und jene Perfektion zu erreichen, durch die man schließlich Gott näher kommt. Am Anfang und am Ende von CREMASTER 3 wird auf die keltische Sage über die Entstehung der Inseln in der Irischen See Bezug genommen. Zwei irische und ein schottischer Riese tragen einen Kampf miteinander aus. Der kleinste unter ihnen greift auf eine List zurück, wodurch es ihm gelingt, die Auseinandersetzung für sich zu entscheiden.

CREMASTER 4 | 1994, 42min
Drehbuch und Regie: Matthew Barney
Produktion: Artangel London, Cartier Foundation for Contemporary Art Paris und Barbara Gladstone New York
Kamera: Peter Strietmann
Still-Photographie: Michael James O’Brien
Darsteller: Matthew Barney

Schauplatz dieser Folge ist die Isle of Man, die zum einen für das alljährlich hier stattfindende Motorradrennen, zum anderen für eine seltene Widderrasse, den "Loughton Ram", bekannt ist. Der Film kreist um drei verschiedene Handlungsstränge, die sich alle gleichzeitig ereignen: Während zwei miteinander wetteifernde Motorradteams in entgegengesetzter Richtung die Insel umrunden, kämpft sich der "Loughton Candidate" (Matthew Barney) durch einen morastigen Untergrund; allesamt werden sie dabei von einer Triade muskelbepackter und geschlechtsloser "Feen" begleitet, die ihnen das Vorwärtskommen abwechselnd erleichtern oder sie aufzuhalten versuchen.

CREMASTER 5 | 1997, 54min
Drehbuch und Regie: Matthew Barney
Produktion: Barbara Gladstone and Matthew Barney
Kamera: Peter Strietmann
Original-Musik: Jonathan Bepler
Still-Photographie: Michael James O’Brien
Darsteller: Ursula Andress und Matthew Barney

Die letzte Episode des Zyklus spielt vor der romantischen Kulisse von Budapest. Allein durch ihren Gesang vermag es die Königin der Ketten (Ursula Andress) die anderen Protagonisten herbeizurufen, nämlich "ihre Diva", "ihren Zauberer" und den "Riesen" (gespielt von Matthew Barney). Die Königin wohnt als einzige Zuschauerin einer Darbietung ihrer Diva bei, einer asexuellen, mit rosafarbenen Bändern bekleideten Figur, die hoch über der Bühne balanciert, am Ende jedoch das Gleichgewicht verliert und brutal zu Boden stürzt. Angesichts dieser Vorführung gibt sich die Königin nostalgischen Erinnerungen an ihren Liebhaber hin, den Zauberer nämlich, dessen Tod sie beklagt.

Text: Alamode, © 1995 Matthew Barney, Photo Michael James O'Brien, Courtesy of Barbara Gladstone
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Ich glaube wenn man mehr oder minder völlig uninformiert in den Film reingeht, wird man sehr wenig bis gar nichts verstehen. So zumindest ging es mir...ich hätte nicht erraten, das der gesamte Zyklus sich über die Ausdifferenzierung des Geschlechts während der embryonalen Phase dreht. Das das Geschlecht eine Zentralerolle in den Filmen spielt ist klar, aber nicht unbedingt das es um die "Mannwerdung" geht. Bezüge zu dem Mörder Gary Gilmore, Houdini, keltischen Legenden usw. erschliessen sich dem Zuschauer auch nicht ohne weiteres...

Der Zuschauer wird in eine skurille, bizarre Bilderwelt geworfen, ohne Orientierungsmöglichkeiten, ohne jegliche Hilfe einen Interpretationsfaden zu finden...der Zuschauer muss sich orientierungslos durch diese Bilderflut durchkämpfen....
Es ist Kunst, die sich des Mediums Film bedient um ihre Abstraktheit einem größeren Publikum zugänglich zu machen...doch setzt dies auch eine Menge Ausdauer und auch Interesse auf seiten des Zuschauers voraus, um dieser künstlerischen abstrakten Fülle Herr zu werden...

Vom filmischen Standpunkt aus ist es eine interessante Visualliesierung bestimmter Themen, vom künstlerischen Standpunkt aus, muss ich sagen, dass der Film mich überfordert hat, mit soviel Kunst kann ich nicht umgehen :wink:


"Film ist die Übermittlung von Gedankeninhalten durch Bilderreihen, die zur Projektierung bestimmt sind."
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